Das Problem der Lebensmittelverschwendung und Vernichtung ist in der Tat schlimm und ist kei Dänemark spezifisches. Ich sehe da zwei Verursacher. Zum einen ist da die Politik, die den Lebensmittelherstellern von SB-verpackter Ware ein Mindesthaltbarkeitsdatum vorschreibt und vorgibt, ihre Erzeugnisse damit auszuzeichnen. Der Lebensmittelindustrie kommt das sehr entgegen, weil so deren Erzeugnisse schneller umgesetzt werden weil ja ein Teil ihrer Produktion im Handel oder auch in den privaten Haushalten vernichtet wird.
Ein anderer Aspekt: Die Lebensmittelindustrie will kein Risiko eingehen und fürchtet sich vor Klagen von Verbrauchern, die sich evtl. eine Lebensmittelvergiftung von z.B. einer Packung Aufschnitt zugezogen haben, dessen Mindesthaltbarkeitsdatum aber noch nicht erreicht war. Um da ganz sicher zu gehen wird das MHD häufig viel zu kurzfristig angesetzt.
Erst vor wenigen Wochen wurde in einer Reportage der ARD (einmal wieder) von Wissenschaftlern, fachleuten für Lebensmittelhygiene und Lebensmittelchemikern der Beweis angetreten, dass fast alle Lebensmittel erheblich länger, häufig bis zum dreifachen der max. vorgegebenen Mindesthaltbarkeit nicht nur geniesbar sondern auch vollkommen frei von irgendwelchen optischen und geschmacklichen Veränderungen sind. Ausnahmen sind da verpackte und ungegarte Frischeprodukte wie Frischfleisch und Milchprodukte, besonders im Sommer. Das Problem in der heißen Jahreszeit ist die Einhaltung der Kühlkette beim Transport und die Kühlung der Ware im Supermarkt.
Ein weiteres Problem ist „der“ Verbraucher, der in den vergangenen Jahrzehnten immer pingeliger beim Lebensmitteleinkauf geworden ist. Beispiel Schweinefleisch und Schinken: Früher wurde vom Schwein alles Essbare verwertet bis hin zum Speck. Da hatte auch der allerbeste Knochenschinken noch eine relativ dicke Speckschicht. Das will heute keiner mehr. Diese Entwicklung führte letztlich zur Züchtung besonders fettarmer Schweine und dem Einsatz spezieller Medikamente in der Tiermast. Aber das reichte nicht. Der Verbraucher will noch weniger Fett als wenig. Er will gar kein Fett. Und so findet man heute in den SB-Kühltheken der Supermärkte und Discounter Schinkensorten ohne auch nur einen Millimeter sichtbares Fett. Das ist schon fast pervers zumal doch bekannt ist, dass Fett auch Geschmackträger ist. Für Geschmack bei diesem Schinken sorgen dann noch mehr Nitritpökelsalz und andere Geschmacksverstärker.
Die Frage ist nun, wo die die Fleischindustrie mit dem ganzen vom Verbraucher so geschmähten Fett bleibt. Kommt all das abgeschnittene Fett in die Wurst? Nein, mehr als da schon immer verarbeitet wurde geht nicht. Also weg damit. Im Klartext: Immer mehr Schwein landet in der Viehverwertung bzw. Abdeckerei, weil der Verbraucher nur noch das Beste vom Schlachtvieh will. Irgendwann müssen die Schweine und Rinder wohl einzig für das wenige Filet welches die Tiere hergeben ihr Leben lassen. Und dies ist nur mit noch intensiverer Massentierhaltung zu erreichen.
Und wenn ich dann insbesondere Frauen im losen Obst der Gemüseabteilungen herumwühlen sehe. Wenn da ein Apfel auch nur einen kleinen Schorffleck hat wird der schon nicht genommen unwissend der Tatsache, dass die gesuchten Bilderbuchäpfel nur mit Hilfe der chemischen Keule in den Obstplantagen geerntet werden können. Der „Bioapfel“ sieht da meist anders aus.
Und wenn dann noch jede einzelne Kirsche in den Fingern von Kunden einer Sichtprüfung unterzogen wird anstatt die bereitliegende Obstschippe dafür zu verwenden möchte ich denen am liebsten einen kräftigen Klapps auf die Finger geben.
Aber zurück zur Lebensmittelvernichtung der ja nun die Politik nicht nur in Dänemark den Kampf angesagt hat. Wir alle können da unseren Beitrag leisten. Wie Hellfried im „Kartenthread“ schreibt schaue auch ich bei Edeka oder Aldi in der 30-Prozent-Ecke ob da für mich etwas dabei ist. Beispiel: Aldi bietet geräuchert Wildlachs in Scheiben an. Der ist mit 4,79 Euro für 150 Gramm nur nicht gerade billig. Zwei Tage vor Ablauf des MHD wird dieser Lachs dann aber mit 2,90 Euro umgezeichnet. Da greife ich dann zu und friere schon mal ein paar Packungen ein.
Meine Frage an den Marktleiter, was denn mit den nicht bis zum MHD verkauften Waren passiere: „Die werden vernichtet und dürfen auch von uns Angestellten nicht mitgenommen werden.“
"Foodsharing" - Ein neues Modell, dass sich gegen die Verschwendung und Vernichtung von Lebensmitteln richtet
Unsere in Oldenburg lebenden Kinder haben sich dieser Initiative, die es mittlerweile in mehreren deutschen Großstädten gibt, angeschlossen. Die Foodsharing-Initiative entstand 2012 in Berlin und ist zu einer internationalen Bewegung mit über 200.000 registrierten Nutzern hauptsächlich in Deutschland aber auch in Österreich und der Schweiz geworden. Foodsharing arbeitet vollkommen uneigennützig und setzt sich gegen die Lebensmittelverschwendung und Vernichtung ein. Viele Supermarktbetreiber und Wochenmarktbeschicker unterstützen diese Initiative und stellen ihre Lebensmittel die sich kurz vor dem MHD befinden dieser Initiative zur Verfügung. Ebenso sind viele Wochenmarktbeschicker dabei, die ihr frisches Obst und Gemüse insbesondere an Samstagen nicht restlos verkauft bekommen.
Da kommen dann bei Foodsharing registrierte Bürger ins Spiel, die Interesse an diesen ansonsten zur Vernichtung anstehenden Lebensmittel haben. Auf der Onlineplattform der jeweiligen Ortsinitiative können sie sich für einen bestimmten Tag und einen bestimmten Händler stationären Händler oder einen Wochenmarktbeschicker anmelden. Ab einer bestimmten Uhrzeit kann dann die Ware abgeholt werden. Zwei Dinge müssen dabei aber zwingend beachtet werden, damit man nicht als Mitglied dieser Initiative rausfliegt: 1. Der Termin ist verbindlich. Wer nicht kommt macht das nur einmal. 2. Sämtliche bereit gestellte Ware muss mitgenommen werden. Deshalb reicht ein Kleinwagen nicht immer aus. Ein Kombi ist schon sinnvoll.
Die bisher größte „Ausbeute“ meines Schwiegersohnes an einem Samstag: Zwei volle Kisten Bananen, ca. 30 Äpfel, jede Menge Gurken, Möhren, Radieschen, ca. 10 Brote und 100 unterschiedliche Brötchen vom Biobäcker und noch einiges mehr.
Gestern (Samstag) gab es von einem Gemüsehändler vom Wochenmarkt 15 Kg weißen und grünen Spargel.
Wer da mitmachen will sollte sich über die möglichen Lebensmittelmengen die da anfallen könnten im Klaren sein und Abnehmer in der Familie, Verwandtschaft und Freunde haben. Allein kommt man da nicht gegen an!
Wichtig: Wer sich bei Foodsharing registrieren und sich aktiv beteiligen möchte muss sich einem Online-Test unterziehen wo es darum geht, die Wertschätzung von Lebensmitteln des Bewerbers zu testen. Erst wenn dieser Test bestanden ist kann man sich für die erste Lebensmittelabholung online eintragen. Zudem muss jedes Mitglied eine Erklärung dahingehend abgeben, dass er/sie alle in Empfang genommenen Lebensmittel der menschlichen Verwertung zukommen lässt, keinen Handel damit treibt und die Lebensmittel auch nicht für die Viehfütterung verwertet werden.
Weiterhin unterhält Foodsharing an der Oldenburger Uni z.B. einen „Fair-Teiler“, wo Händler oder Erzeuger Lebensmittel, die sie nicht mehr verkaufen können oder wollen anliefern können. Dieser „Laden“ steht allen Bürgern zum kostenlosen „Einkauf“ zur Verfügung. Der Fair-Teiler ist aber nicht mit der „Tafel“ zu verwechseln, die aber ähnlich funktioniert.
Eine tolle Sache wie ich finde. Da könnte sich Dänemark eine Scheibe von abschneiden. Die Frage ist nur wer das machen soll. Wer ergreift die Initiative? Die Dänen scheinen da aber eher träge und wohl lieber Hygge machen zu machen.
https://foodsharing.de/