Vergangenheit - Gegenwart - Verben

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Berndt

Vergangenheit - Gegenwart - Verben

Beitrag von Berndt »

Mir ist folgendes aufgefallen:

Auf dänisch: Så spurgte jeg, om han kunne spille violin.
Auf deutsch: Dann fragte ich, ob er Geige spielen kann.

Auf dänisch: Hun spurgte, hvorfor han ikke ville hjælpe hende.
Auf deutsch: Sie fragte, warum er ihr nicht helfen will.

Die Beispiele sind nicht besonders gut, aber es handelt sich darum, daß man auf dänisch in den beiden obigen Sätzen konsequent die Vergangenheit verwendet, während man auf deutsch in der letzten Hälfte der beiden Sätze plötzlich - gegen meine Erwartung - die Gegenwart verwendet. Gibt es logische Regeln? Ausnahmen?
Wenn ich es richtig bemerkt habe, könnte mir vielleicht jemand ein paar typische Beispiele nennen, die meine Feststellung bestätigen.
Besten Dank.
gluecks4klee
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Registriert: 28.07.2008, 17:41
Wohnort: Mainz

Beitrag von gluecks4klee »

Strenggenommen gehört an diese Stelle der Konjuntiv:
Ich fragte, ob er Geige spielen könne.
Sie fragte, warum er ihr nicht helfen würde.

Allerdings sind die Deutschen im Gebrauch der Zeiten, des Konjunktives und des Kasus ("der Dativ ist dem Genitv sein Tod") ziemlich nachlässig, was besonders beim Lernen einer Fremdsprache deutlich wird.
Sydstien
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Wohnort: Hamburg, Deutschland

Beitrag von Sydstien »

Hej Berndt,

die korrekte Zeitform für den Nebensatz hängt im Deutschen davon ab, wann das reale Geschehen sich ereignet - ob also in der Vergangenheit, der Gegenwart oder in der Zukunft.

Beispiel:

Ich fragte meinen Freund, wann er im dänischen Ferienhaus angekommen sei. (Vergangenheit - er ist schon da.)

Ich fragte meinen Freund, wann er im dänischen Ferienhaus ankomme. (Gegenwart - er ist noch unterwegs.)

Ich fragte meinen Freund, wann er im dänischen Ferienhaus ankommen werde. (Zukunft - er kommt morgen oder nächste Woche.)

Aber das müsste im Dänischen doch genauso sein?

Im Deutschen sollte korrekterweise nach Verben des Sagens, Denkens Fühlens usw. im nachfolgenden Nebensatz tatsächlich der Konjunktiv stehen. Im alltäglichen Sprachgebrauch ist aber der Konjunktiv fast ausgestorben. Glücksklee hat es versucht - aber im 2. Beispiel müsste es heißen: "Sie fragte, warum er ihr nicht helfen wolle."

Wie gehts denn dem Konunktiv im Dänischen?

Freundliche Abendgrüße nach DK
Heinz-Dieter
Berndt

Beitrag von Berndt »

Vielen Dank für eure Antworten.

Vielleicht habe ich im Film die verschiedenen Zeiten in den Nebensätzen nicht so richtig mitbekommen.

glücks4klee nennt die Verwendung des Konjunktivs. Aber man kann nicht immer den Konjunktiv erkennen.
Sydstien schreibt u.a.:
Die korrekte Zeitform für den Nebensatz hängt im Deutschen davon ab, wann das reale Geschehen sich ereignet - ob also in der Vergangenheit, der Gegenwart oder in der Zukunft.
Es könnte sein, daß ich den Konjunktiv nicht erkannt habe, weil man hier mit dem Verb werden zwischen Indikativ und Konjunktiv nicht unterscheidet - oder würde man in den untenstehenden Beispielen es anders formulieren?
(Im ersten Beispiel weiß ich nämlich nicht, ob es tatsächlich Gegenwart ist – oder Vergangenheit, was der Grund meiner Eingangsfrage war).

Mein Freund fragte mich im Telefon, wann wir im dänischen Ferienhaus ankommen. (Gegenwart – wir sind noch unterwegs)
Mein Freund fragte mich, wann wir im Ferienhaus ankommen werden (Zukunft – wir fahren erst heute ab und kommen morgen an).

Im Dänischen gibt es nur den Imperfekt, wenn man mit Verben des Sagens, Denkens, Fühlens (wie Sydstien schreibt) den Konjunktiv markieren möchte.
eckh
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Registriert: 09.07.2007, 23:21

Beitrag von eckh »

Berndt hat geschrieben: Sydstien schreibt u.a.:
Die korrekte Zeitform für den Nebensatz hängt im Deutschen davon ab, wann das reale Geschehen sich ereignet - ob also in der Vergangenheit, der Gegenwart oder in der Zukunft.
Vorsicht - das mag für den normalen Nebensatz gelten, aber in den obigen Beispielen geht es ja um indirekte Rede (er sagte, ...; er fragte, ...).

In diesem Fall, also bei der indirekten Rede richtet sich die Zeit nur nach der Perspektive des (damaligen) Sprechers.

Beispiele: Heute ist Dienstag (19.4.).

Am Sonntag (17.4.) sagte meine Schwester, sie sei am Samstag (16.4.) nach Dänemark gefahren. (Vergangenheit, da 16.4. vor 17.4.)

Am Sonntag (17.4.) sagte meine Schwester, sie fahre grade (17.4.) nach Dänemark. (Gegenwart: 17.4.=17.4.)

Am Sonntag (17.4.) sagte meine Schwester, sie werde am Montag (18.4.) nach Dänemark fahren. (Zukunft: 18.4. nach 17.4.)

Bei dem letzten Satz ist es völlig egal, dass aus meiner heutigen Sicht der Montag schon Vergangenheit ist. Für meine Schwester war es aus damaliger Sicht noch Zukunft, daher das Futur "werde fahren". Wie immer allerdings kann statt des Futurs auch das Präsens genommen werden, wenn es klar ist, dass es sich um eine zukünftige Handlung handelt. "Am Sonntag sagte meine Schwester, sie fahre am Montag nach Dänemark" ist also auch in Ordnung.

Dass sich die Zeit nur nach der Perspektive das Sprechers richtet, gilt in der Zukunft genauso:

Meine Schwester wird Donnerstag (21.4.) sagen, sie sei am Mittwoch (20.4.) nach Dänemark gefahren. (Vergangenheit, da 20.4. vor 21.4., obwohl der 20.4. für mich noch Zukunft ist.)

Meine Schwester wird Donnerstag sagen, sie fahre grade nach Dänemark. (Sie fährt also Donnerstag, aus ihrer Sicht Gegenwart.)

Meine Schwester wird Donnerstag sagen, sie werde am Freitag nach Dänemark fahren. (Zukunft, da auch aus ihrer Sicht noch Zukunft.)

Auch hier überall kann statt des Futurs auch die Gegenwartsform genommen werden, wenn die Zukünftigkeit er Geschehnisse nicht besonders betont werden soll.

Und häufig wird Indikativ statt Konjunktiv genommen, besonders in gesprochener Sprache. In gehobener Schriftsprache ist der Konjunktiv eigentlich Pflicht. Trotzdem mache ich die Frage, ob Konjunktiv oder nicht, auch davon abhängig, ob ich mich vom Gesagten distanzieren will oder nicht. Habe ich irgendwelchen Zweifel an dem, was ein anderer gesagt hat, so verwende ich auf jeden Fall den Konjunktiv. Habe ich daran keinerlei Zweifel und schliesse ich mich dem Gesagten völlig an, dann kann es passieren, dass ich Indikativ verwende, auch wenn ich in der Schriftsprache normalerweise Konjunktiv verwende.
Berndt

Beitrag von Berndt »

@eckh.

Vielen Dank für die ausführliche Erklärung.
Eigentlich sind mir die deutschen Regeln bekannt, aber die Gegenwartsform (in Filmen) in gewissen Nebensätzen stört mich, weil man auf dänisch sowohl im Hauptsatz als im Nebensatz konsequent die gleiche Zeit - die Vergangenheit, oder aber die Gegenwart - verwendet, also ohne an die erwähnte Zeitperspektive zu denken.