Pisa-Studie

Sonstiges. Dänemarkbezogene Themen, die in keine andere Kategorie passen.
skye

Beitrag von skye »

Ein weiteres Kriterium, das sich natürlich auch auf die Bildungsqualität in Schulen auswirkt und das nicht außer acht gelassen werden sollte, ist die Lehrerausbildung in Deutschland. Ich weiß, dass es viele wirklich engagierte Lehrer gibt, die sich einsetzen, aber es gibt sicher ebenso viele, die seit 20 Jahren dieselben Kopien verwenden und ihre Zeit mehr oder weniger "absitzen". Ich habe an der Uni viele Lehramtsstudenten kennen gelernt, die halt Lehramt studierten, weil sie sonst nicht wussten, was sie machen sollten oder weil man ja als Lehrer so viel Ferien hat - da konnte man manchmal nur die Hände über dem Kopf zusammenschlagen, dass die dann später mal auf Schüler losgelassen werden! Außerdem war bis vor wenigen Jahren nicht einmal ein Schulpraktikum vor und während des Studiums Pflicht, sodass die Leute im ersten Referendariatsjahr zum ersten Mal vor einer Klasse standen und sehen konnten, ob ihnen der Beruf wirklich liegt - und das dann nach mindestens 10 Semestern an der Uni.

@Pitti: ich kenne natürlich die genaue Situation nicht, aber wenn für die Einrichtung als Zugangsvoraussetzung die allgemeine Hochschulreife verlangt wird und der Bewerber genau diese hatte, möchte ich mal behaupten, dass das nicht rechtens ist. Ich hätte mich da sicherlich beschwert und an entsprechende Stellen gewandt. Sowas wirkt in der Regel Wunder! Das muss man sich nicht gefallen lassen!
joe100
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Beitrag von joe100 »

Hi,
weitere Erfahrung: gestern einen Schweden, der seit 10 Jahren in Frankreich wohnt und drei schulpflichtige Kinder auf PISA angesprochen: Rekation: PISA Studie ?? nie gehört ? Ich bleibe dabei; wir nehmen das Thema zu ernst.
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

@Joe
Nur weil einer den Begriff Pisa-Studie nicht (wiederer-)kennt, bedeutet das keineswegs, dass die Untersuchung keine Ressonanz fand. Wenn der dänische Arbeitgeberverband den Namen Pisa nicht erwähnt, aber das Debakel in verschiedenen Zusammenhängen diskutiert, dann ist das ja auch kein Ausdruck von Desinteresse.

Für mich ist absolut unverständlich, wenn man diese Untersuchungen nicht sehr ernst nimmt. Es gibt im internationalen politischen Raum kaum eine seriösere Institution als die OECD, wenn man von schwachen Graswurzelorganisationen absieht, die solche Untersuchungen wie Pisa nie leisten könnten. Meines Wissens gab es vor Pisa noch nie eine internationale Bildungsuntersuchung, die die Vergleichbarkeit weitgehend verwirklichte und zugleich inhaltlich breit war. Wenn man Studien wie Pisa abtut, dann weil man sich für bildungspolitische Fragen überhaupt nicht interessiert.

Ich dagegen finde es schockierend, dass laut Pisa 2000 ca. 1/6 eines Jahrganges in D durch Lesen nicht klüger werden kann.

Oder dass Deutschland ganz, ganz übel aussieht, was das Weitervererben von Bildungsferne angeht.


Für die, die sich über Verletzungen von journalistischen Spielregeln duch den Spiegel aufregten:

Jyllands Posten berichtete gestern ausgiebig über Pisa (nannte auch den Namen) und brachte ein Meer von ergänzenden Artikeln. Alles bezog sich auf die dänischen Ergebnisse. Wohlgemerkt ebenfalls bevor die Veröffentlichungssperre aufgehoben war.

Gruss Michael
Grüsse
Michael
Ursel
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Beitrag von Ursel »

Hej Michael und alle!
Ich denke, hier ist der Begriff als solcher nicht so bekannt und löst eben dadurch auch nicht diese Non-plus-Ultra-Panik aus wie in Dtld.
Die Arbeitgeber gehen ja hier wie in Dtld. oft auch von ihren eigenen schlechten Erfahrungen mit den Schulabgängern aus und fordern - teilweise ja durchaus zu Recht - Verbesserungen. Wie die auzusehen haben, sollten jedoch Arbeitgeber nicht zu entscheiden haben, finde ich, aberdies ist ein anderes Thema.

Man beachtet hier in DK die Studie durchaus, s.a. die Diskussion jetzt, ob es an mangelnder Disziplin liege etc. - aber genauso erscheinen im dänischen Fernsehen und in der dänischen Presse auch ohne Studie immer wieder Berichte über schulische Themen - sei es, daß man irgendwo ein neues Lernkonzept übernommen oder entwickelt hat oder daß man irgendwo versucht, die Integration der ausländischen Schüler neu anzuegehen oder oder.
Dadurch vielleicht, weil eben nicht dauernd der Begriff PISA fällt und auch nicht dauernd auf eine Studie (ein und dieselbe obendrein) hingewiesen wird, wird nicht so eine negativ-Stimmung geschürt.
Man berichtet auch über Fortschritte,, diskutiert neue Möglichkeiten etc.
Während man in Dtld. 3 Jahre lang über die alte PISA-Studie grübelte und diskutierte und nun ja (welch ein Segen!) die neue hat, schaut man hier mehr auf die gegenwart und Zukunft. Die Studie ist kein Dauerzustand, sondern eine Momentaufnahme und wohl ebenso bald wieder Vergangenheit bis zur nächsten.

Und das ist wohl doch irgendwie der nationale Unterschied:
Wir haben ja bereits an anderer Stelle gemerkt, daß die Deutschen doch mehr jammern und klagen und sich anscheinend darin wohlfühlen, wenn es schlecht geht und Gründe zum Jammern und Klagen vorhanden sind. Nun auch noch bildungsmäßig bestätigt, wunderbar - ironie-off.
Die Dänen lassen sich das Leben nicht so leicht vermiesen, weder durch hohe Steuern, Arbeitslosigkeit oder eben Bildungsmisere.
Sie krempeln die Ärmel auf und machen weiter oder anders, sie versuchen, Pluspunkte zu finden (dänische Kinder gehen mit am liebsten in die Schule!) und versinken nicht in einem Tränenmeer.

Übrigens habe ich auch noch einmal nachgedacht, wieso dänische Kinder trotz ihrer Lust an Schule doch so verhältnismäßig schlecht abschneiden.
Einige Gründe wurden schon genannt, z.B. weiß ich von Bekannten, die in Japan gelebt haben, daß die Kinder dort erstaunlich viel wissen, aber nicht einmal ambitiöse deutsche Eltern würden ihren Kindern so ein Leben bieten wollen, geschweige denn wohl dänische.
Zum andern beklagen (meist deutsche) Eltern das niedrige Leistungsniveau in dänischen Schulen - wer da als Schüler auch nur durchschnittlich begabt ist und zuhause gefördert (und ein bißchen gefordert) wurde, langweilt sich leicht, wenn der Lehrer nicht aufmerksam ist und Extraaufgaben gibt. Selbst an der deutschen Schule in Kopenhagen sei das Niveau deutlich höher, habe ich gehört.

Denn in der dänischen Volksschule schleppt man ja bis zur 9. Klasse auch die schwachen Schüler mit, teilweise mit (teuren) Stützpädagogen. Ob diese Schüler nicht doch anderswo, und sei es nur 1 Kl. tiefer, besser aufgehoben wären und einen besseren, ihnen angemessene Unterricht erführen, ebenso ein derartiges Leistungsniveau?
Gleiches gilt für die guten Schüler.
Und das scheint ja zu kommen, indem man fächer- und klassenübergreifenden Unterricht einführt!
Es ist kein Einzelfall, daß in der Klasse meiner Großen (5., entspricht der 6. in Dtld.) mehrere Kinder sitzen, die nicht fehlerfrei lesen - da entziffert ein Mädchen statt Randi Rasmus und ist somit tagelang für das verkehrte Kind "nisse" ... kein Einzelfall in dieser Klasse und überhaupt.
Gleichzeitig sitzt meine Kleine in der 1. Kl. und liest bereits besser als eben diese Kinder. Sowas unter 1 Hut zu bekommen ist schwer - und sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen eine leichte Übung, die keinem gerecht wird --- und schlechte PISA-Ergebnisse ergibt.

Gründe gibt es viele - manchmal bezweifele ich auch die Vergleichbarkeit der einzelnen Länder - es wird einem auch zu wenig über die Lehrmodelle und gesellschaftlichen Hintergründe der guten und schlechten "Abschneider" berichtet --- besser wäre es wohl, international auszuarbeiten, was eigentlich als Allgemeinbildung vorausgesetztwerden können muß und vor allem zu untersuchen,wie man der in allen Ländern vorhandenen (vielen) Analphabeten helfen könnte (bzw. sie vermeiden!)!

grüße an alle - Ursel, ihre Schulkinder demnächst erwartend
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men at se med nye øjne."

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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ich stimme zu, daß es in DK etliche Reaktionen gegeben hat. Ich glaube aber (Gott sei dank) nicht, daß dabei viel herauskommen wird. Es ist nämlich typisch, daß ALLE versuchen die Studie als Argument für ihre eigene alte Meinungen zu benutzen.

Die Regierung meint, man brauche mehr Prüfungen (genannt "Tests"). Die SPD lehnt dies stricht ab. Die Schulleiter und Arbeitgeber fordern mehr Disziplin. Die Gemeinden fordern flexiblere Arbeitszeiten in den Schulen. Dansk Folkeparti meint die schlechte Ergebnisse liegen nur an der zu hohe Ausländeranteil. Die Volkssocialisten fordern bessere Ausbildung der Lehrer und ein warmes Mahlzeit für die Kinder. Das sind alles altbekannte Meinungen und deshalb wird auch nichts passieren. In eine Woche ist die Sache wieder vergessen.

Ich frage mich aber auch, was die Aufregung soll? DK ist um drei Plätze nach hinten gerutscht. Es sind aber 11 neue Länder dazu gekommen. Wir sind also Nr. 18 von 41 statt Nr. 15 von 30. Wo ist das Problemm?

Man sagt es hat sich seid 2000 nichts verbessert. Nach der erste Untersuchung wurde in DK viel getan um insbesondere das Lesen zu verbessern. Dabei wurde mehr Stunden in den ersten 3 Schulljahre gegeben. Die Kinder, die davon profitiert haben, sind aber noch nicht 15. Die neue Untersuchung sagt also NICHTS davon, ob es geholfen hat.

Ich bin auch generel skeptisch gegenüber solche internationale Vergleiche. Es werden 15-Jährige Kinder verglichen. In DK fangen die Kinder aber später an. Ein 15-Jähriges Kind hat also weniger Schuljahre hinter sich. Kann man dann sinvoll vergleichen?

Manche sagen, die Studie zeigt damit, man müsse früher in der Schule anfangen bzw. man müsse schon in Kindergarten mit Lesen lernen anfangen. Ich halte das für ausgesprochenen Unfug. Die Kinder in DK liegen also mit 15 im guten Mittelfeld ungefähr mit den Deutschen vergleichbar. Die Kinder in DK haben mit 15 aber noch kein einziger Prüfung absolviert, sie haben noch keine Noten bekommen, der erste Diktat kommt im vierten Schuljahr. Im Endeffekt heißt das ein ganzes Kinderleben mit viel weniger Lernstreß - und trotzdem ist das Ergebnis also gleich gut.

Wie kommt daß? Ein Ergebnis der erste Studie war, daß die Kinder in DK glücklich sind. Sie gehen sehr gerne zur Schule. Andere Untersuchungen haben gezeigt, daß Kinder in DK in den ersten Jahren relativ langsam lernen - später holen sie das aber wieder ein. D.h. anders gesagt, die Kinder gehen gerne zur Schule und weil ihr Freude am Lernen nicht mit Leistungsdruck und Prüfungsangst kaput gemacht wird, bleibt dieser Lernfreude erhalten, und das zahlt sich in den späteren Schuljahren aus. Wenn die mit 15 schon im guten Mittelfeld liegen, kann das also durchaus als beachtliches Ergebnis angesehen werden.

Solche unterschiedliche Lernkurven können aber mit einem "Schnapschuß-Untersuchung" von 15-Jährigen mit Sicherheit nicht ermittelt werden. Die Untersuchung ist damit weitgehend wertlos. Sie birgt aber eine große Gefahr, weil sie als Argument für irgendwelche FALSCHE Lösungen misbraucht werden könnte. In DK z.B. mehr Prüfungen - in D z.B. Ganztagsschulen und verfrühter Einschulung.

Man könnte in D auch Pisa als Argument nehmen um alle Prüfungen und Noten in den ersten 9 Schulljahren zu streichen - den bei einem Vergleich mit DK wird ja klar, daß sie gar nichts bringen. Eine solche Argumentation kommt aber komischerweise nicht vor. Warum nur? Im gegenteil wird Pisa in DK als Argument FÜR Prüfungen benutzt - obwohl das Beispiel D zeigt, daß es nichts bringt. Das kann man doch nicht ernst nehmen.
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runesfar

Beitrag von runesfar »

BBC hat ein par ganz gute beiträge über die Finnische schulsystem. Mir gefällt die förderung von der einzelne Schüler besonders.

http://news.bbc.co.uk/2/hi/uk_news/education/4073753.stm - die links gibt es oben rechts.
skye

Beitrag von skye »

@Lars:

wieso wäre die Einführung von Ganztagsschulen in Deutschland eine falsche Lösung?
Ich denke auch, dass es nicht viel Sinn hat, Noten in den ersten 9 Schuljahren abzuschaffen - jedenfalls bei der derzeitigen Struktur des deutschen Bildungssystems. Zudem hat sich das mit den fehlenden Noten bis zu einer bestimmten Klassenstufe ja auch in Waldorf/Steiner-Schulen und ähnlichen anthroposophischen/pädagogischen Ansätzen als nicht unbedingt positiv erwiesen.
geloescht20

Beitrag von geloescht20 »

Nur noch ein Nachtrag zu unserer Leherausbildung, kam vorhin nicht ins Forum:

Was die Ausbildung betrifft, ich kenne hier von der Uni her nur die Ausbildung von Diplomlehrern. Und diese Lehrerstudenten hatten schon immer Schulpraktika. Manche sind/ waren nebenbei Leiter von Arbeitsgemeinschaften. Einige dieser Studenten haben dann sehr schnell gemerkt, dass sie vor einer Klasse völlig fehl am Platz sind und haben die Studienrichtung gewechselt. Aber andere merken das eben nie. Und ich weiß, dass Lehrerstudenten, wenn diese Fachrichtung unbedingt gebraucht wird, ihr Studium schaffen, egal, wie sie sich anstellen. Wenn man diese dann auf die Schüler loslässt …
Aber manchen kann ich es auch nicht verdenken, wenn sie ihren Elan verlieren: wenn alle zu Kurzarbeit verdonnert werden, weil das Land kein Geld hat, wenn sie stundenweise zwischen zwei, drei Schulen wechseln müssen oder wenn jede Initiative die sie entwickeln abgewürgt wird.

Aber ich glaube, wir nehmen diese ganzen Diskussionen in der Presse zu ernst. Gestern waren fast 50 % der 19 Uhr-Nachrichten nur PISA. Vieles ist nur Panikmache, weil man gerade kein anderes Thema hat.

Pitti
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ich sage ja nicht, daß Ganztagsschulen an sich falsch wäre. Das problem ist, wenn man sowas als DIE Lösung sieht. Man sieht sich die Pisa-Studie an, sucht sich irgend ein Land an der Spitze aus, und aus deren Schullsystem sucht man sich dann irgend ein Element heraus um es als Lösung aller Probleme zu präsentieren.

Das KANN nicht gut gehen.

1. Zeigt die Untersuchung nur einige der Kenntnisse von Kinder in einen bestimmten Alter. Aber wir wissen nicht, wie sich die Lernkurve über dem ganzen Schulverlauf sich unterscheidet. Wir wissen also gar nicht, ob die scheinbare Unterschiede auch reel sind.

2. Wissen wir nicht, was die Ursache für diese scheinbare bessere Leistungen sind. Wenn ich meine, daß Prüfungen oder Ganztagsschulen gut sind, dann kann ich bestimmt ein Land mit guten Ergebnissen finden, der meine Meinung zu bestätigen scheint. Wenn ich der Gegenteil meine, muß ich nur am Ende der Liste suchen.

3. Besteht ein Schullsystem aus einer Gesamtheit. Selbst wenn Ganztagsschulen oder Prüfungen in ein anderes Land gut sind, heißt das lange nicht, daß sie es auch bei uns wären.




Bearbeitet von - ljhelbo am 07.12.2004 15:22:35
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joe100
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Beitrag von joe100 »

Hallo Ursel und andere,

dein dritter Absatz spricht mir aus der Seele.

Es ist das Jammern, das mich am meisten stört.
Wir sind halt die Weltmeister im Kaputtreden.

Auch wage ich zu behaupten, dass viele öffentlich an diesem Thema mitreden, die noch nie in den zitierten Ländern waren und erlebt haben, wie es denn dort in den Schulen zugeht.
Ob Lese- und Rechenkunst dabei das einzig entscheidende Bewertungsmerkmal einer positiven Entwicklung junger Menschen ist, bezweifelt auch weiterhin
Joe100
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ja, oft werden halbe Lösungen aus ferne Länder hervorgehoben, ohne daß derjenige jemals dort gewesen ist, oder nur den gelobten Ansatz verstanden hat. Vor ein paar Jahren wurde hier in DK z.B. Neu Zeeland als strahlendes Beispiel für den Leseunterricht hervorgehoben. Alle Schulen sollten sich daran ein Beispiel nehmen.

Es ging vor allem darum in den kleinen Klassen Leseunterricht in kleinen Gruppen durchzuführen. Was man aber nicht verstanden hatte war, daß in NZ die Mütter zu hause sind. Die Lehrer konnten also immer 3 oder 4 Mütter für den Unterricht engagieren und somit die kleinen Gruppen realisieren. Das hat natürlich in DK nicht funktioniert, weil hier die Mütter berufstätig sind. Das hatten die Experten und Politiker aber übersehen.
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Tatzelwurm__1

Beitrag von Tatzelwurm__1 »

Hej,

z. Zeit in unser Medienwelt.
Morgens: PISA
Mittags: PISA
Abends : PISA

Deshalb noch zwei Zahlen:

Staatsausgaben für Bildung.
DK = 6,4 % 1.Platz
D = 4,6 % vorletzter Platz.

ohne Kommentar und Wertung.

Einen schönen Nebeltag

Detlef
Ursel
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Beitrag von Ursel »

Hej Detlev!
Tja, und auch dies bestätigt ja die Rechenbeispiele von Lars:
Die einfache Erhöhung von Geldern könnte ein Schuß nach hinten sein, denn trotz der teuersten Volksscuhle weit und breit liegt Dk ja nun mal auch nicht gerade gut in der Studie.
Hier hackt man derzeit - nicht ganz zu Unrecht, wie ich finde, gerade nach einem neuerlichen Vorfall in der Klasse meiner Tochter - auf Disziplinproblemen herum.

Andererseits erinnere ich mich an eine beeindruckende Statistik aus den 80ern in Sachen Bibliothek (ist nun mal mein altes Fach), wo DK stark an der Spitze lag - ca. 90% der Dänen waren damals Bibliotheksbenutzer gegenüber nur ca. 10% der Deutschen - die Gelder flossen in DK aber - wenn ich richtig erinnere, mindestens (!) 3x so heftig in die Bibliotheken wie in Dtld. und zwangsläufig gab es dannauch wesentlich mehr Medieneinheiten pro Einwohner oder Benutzer in DK als in Dtld.
Und noch heute ist es auf diesem Gebiet so, daß man hier noch lange auf dem Zahnfleisch geht, wenn Mittel gestrichen werden, während Dtld. schon lange an der Schmerzgrenze krebst.

Privatgegründete Schulen hier, friskoler, haben (nicht nur anfangs) auch weniger Mittel als die staatlichen/kommunalen, und doch leisten sie ebenso viel - oder gar mehr!

Merke: Mehr Geld allein macht weder glücklich noch klüger noch besser, aber wenn dann der richtige Einsatz stattfindet -dann kann es ja schon was werden.
Und natürlich zeigt die finanzielle Prioritierung ja auch allen, wie hoch eine Sache (nicht) bewertet wird - auch sowas färbt auf den Erfolg ab!

Einen schönen Tag Euch allen - Ursel, DK
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---------------------------------------------------------Marcel Proust
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skye

Beitrag von skye »

@Lars:
ach so. Danke fürs Feedback. Ich hatte es ein wenig so verstanden, dass du eher generell was gegen Ganztagsschulen hast, deshalb das Nachhaken. Als Allheilmittel für die Probleme des Bildungssystem sehe ich die Einführung auch nicht - gerade überstürztes Handeln bringt gar nichts, ebenso wie eine Haltung "dann stellen wir halt unser System auf das von Finnland oder Japan oder Südkorea um" (sowas geistert ja derzeit auch hin und wieder in den Diskussionen herum). Und vor allem muss man sich ja auch bewusst sein, dass solche Veränderungen halt nicht von heute auf morgen Ergebnisse bringen, sondern eher auf langfristige Resultate ausgelegt sind.

@Pitti:
Interessant. Ich war bis dato fest davon überzeugt, dass man in Deutschland nur mit einem Lehramtsstudiengang, sprich Abschluss mit 1. und 2. Staatsexamen, Lehrer werden kann. Von Diplomstudiengängen in diesem Bereich war mir bisher nichts bekannt. Ein bisschen googeln zeigt, dass es in einigen Bundesländern auch die Ausbildungsrichtung zum Diplom-Lehrer gibt. Wieder was dazu gelernt! :o)
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ja, hier wird im Moment viel von Disziplin gesprochen. Das ist aber auch so eine Sache. Es klingt vielleicht unmittelbar einleuchtend, wenn manche sagen "ohne Ruhe im Klassenzimmer kann nicht gelernt werden".

Aber, erstens stimmt das nicht. Die Kinder lernen am besten, wenn sie aktiv mit der Materie arbeiten und experimentieren. Eine gewisse (positive) unruhe, ist also oft gerade ein Kennzeichen von gutes Lernen.

Zweitens gibt es natürlich auch negativer Unruhe. Die Ursache dafür ist aber nicht unbedingt böse Kinder. Eine Ursache kann sein, daß einige Kinder generel zu wenig Aufmerksamheit von Erwachsene bekommen (weil die Eltern zu viel zu tun haben und sich nicht kümmern). Also versuchen sie mit Hilfe von Unruhe Aufmerksamheit zu bekommern. Unruhe im Klassenzimmer kann auch (der einzig Mögliche) Protest gegen schlechter oder langweiliger Unterricht sein. In beiden Fällen sind Disziplin und Strafe kaum die geeignete Maßnahme.
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