Wikipedia gesperrt
Mich wundert nur, dass er mit so einer einstweiligen Verfügung überhaupt vor einem deutschen Gericht durchgekommen ist. Das hat überhaupt keine Logik und ich bezweifle auch die Rechtsgundlage. Zum einen ist ja bekannt, dass man nicht Vereinsmitglied sein muss, um in der Wiki Artikel zu schreiben, zum anderen frage ich mich aber vor allem, ob damit Tür und Tor dafür geöffnet wurde, in Deutschland per einstweiliger Verfügung ganze Webseiten sperren lassen zu können, die Links zu Seiten enthalten, die einem nicht in den Kram passen. Was ist das für ein Rechtssystem, wo so etwas möglich ist und was ist das für ein Gericht, was so handelt?
Und der Mann, der ist wirklich mächtig unterbelichtet.
Viele Grüße
Hina
Und der Mann, der ist wirklich mächtig unterbelichtet.
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Hina
- Lars J. Helbo
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Annika, was Sinn und Zweck einer solchen Verfügung ist, ist nicht unbekannt und totlachen brauchst Du Dich wirklich nicht.
Aber überlege doch mal eines. Nachdem es jetzt einmal geklappt hat und jemand mit solch einer Verfügung bei Gericht durchkam, werden garantiert ohne mit der Wimper zu zucken, jede Menge andere Anwälte zum Gericht gehen, sich auf diesen Vorgang berufen und mit der Begründung, es würden Persönlichkeitsrechte ihres Mandanten angegriffen die Webseite wieder schließen lassen. Da können wir sicher froh sein, wenn sie in nächster Zeit überhaupt mal an ist.
Ich sehe das auch noch nicht einmal als eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Der Verein nicht der Urheber des Artikels und hostet die Artikel auch nicht. Auf seiner Webseite befinde sich auch einzig und alleine ein Link auf die Hauptseite der Wikipedia.
Viele Grüße
Hina
Aber überlege doch mal eines. Nachdem es jetzt einmal geklappt hat und jemand mit solch einer Verfügung bei Gericht durchkam, werden garantiert ohne mit der Wimper zu zucken, jede Menge andere Anwälte zum Gericht gehen, sich auf diesen Vorgang berufen und mit der Begründung, es würden Persönlichkeitsrechte ihres Mandanten angegriffen die Webseite wieder schließen lassen. Da können wir sicher froh sein, wenn sie in nächster Zeit überhaupt mal an ist.
Ich sehe das auch noch nicht einmal als eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Der Verein nicht der Urheber des Artikels und hostet die Artikel auch nicht. Auf seiner Webseite befinde sich auch einzig und alleine ein Link auf die Hauptseite der Wikipedia.
Viele Grüße
Hina
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Einstweilige Verfügungen o. ä. ergehen tagtäglich hundertfach. In allen Rechtsbereichen.Hina hat geschrieben:Nachdem es jetzt einmal geklappt hat
Das Recht auf vorläufigen Rechtsschutz steht jedem zu.
Bei derartigen Diskussionen wird gerne vergessen, dass man auch selbst irgendwann einmal der Rechtssuchende sein kann.
Dann ist man froh über solche Instrumente.
Gruß
/annika
Annika, das ist ja richtig und so lange die Verfügungen dahingehend ergehen, dass sie auch die eigentliche Ursache und ihre Auswirkungen treffen, ist die Welt ja auch in Ordnung. Nur hier wurde eine Webseite mit einem Link platt gemacht und diese Webseite ist nicht verantwortlich für einen Artikel, der in Amerika veröffentlicht wurde.
Hilsen
Hina
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Hina
- Lars J. Helbo
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Hallo Dirk und Annika,
ob das nun nach Recht und Gesetz geschehen ist bzw. ob es tagtäglich passiert macht dies keineswegs besser. Es geht immer noch um Angemessenheit der Mittel und um Verhältnismäßigkeit.
Das Mittel der einstweiligen Verfügung ist doch da um zu verhindern, dass vor der Hauptverhandlung unumkehrbaren Schaden für den Kläger angerichtet werden kann. Das Problem für den Richter ist dabei immer, dass Schaden entstehen kann, egal wie er sich entscheidet. Er muss also die mögliche Größe und die unumkehrbarkeit der Schäden, die eventuell bis zur Hauptverhandlung entstehen könnte, gegen einander abwägen.
In diesem Fall haben wir auf der eine Seite Lutz Heilmann (schön passender Name übrigens). Er fühlt sich in seine Persönlichkeitsrechte gekränkt. Der Grund ist eine Seite in der Wikipedia, der täglich von rund 20 Personen abgerufen wird, und worauf teilweise Sachen wiedergegeben werden, die schon 2005 in der Spiegel abgedruckt wurden. Jetzt (nach 3 Jahren) ist es ihm aber plötzlich so wichtig, die Verbreitung dieser Behauptungen zu stoppen, dass er nicht bis zur Hauptverhandlung warten kann - also beantragt er eine Einstweilige Verfügung.
Der Richter muss nun die Dringlichkeit diesen Antrages gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in DE abwägen. Das hätte eigentlich nicht schwierig sein sollen.
Und noch etwas. Lutz Heilmann hat sich nachher damit entschuldigt, er habe vorher "alle andere Möglichkeiten vergeblich versucht". Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Damit gibt er nämlich zu, dass eine Dringlichkeit gar nicht bestanden hat. Wenn er schon vorher monate- oder jahrelang geduldig alle andere Möglichkeiten versuchen konnte, dann hätte er wohl auch jetzt 3-4 Wochen bis zur Hauptverhandlung warten können.
Damit gibt er eigentlich zu, dass er nicht den einstweiligen Verfügung beantragt hat, um weiteren Schaden zu verhindern, sondern ihn als Druckmittel in der Sache missbraucht hat.
ob das nun nach Recht und Gesetz geschehen ist bzw. ob es tagtäglich passiert macht dies keineswegs besser. Es geht immer noch um Angemessenheit der Mittel und um Verhältnismäßigkeit.
Das Mittel der einstweiligen Verfügung ist doch da um zu verhindern, dass vor der Hauptverhandlung unumkehrbaren Schaden für den Kläger angerichtet werden kann. Das Problem für den Richter ist dabei immer, dass Schaden entstehen kann, egal wie er sich entscheidet. Er muss also die mögliche Größe und die unumkehrbarkeit der Schäden, die eventuell bis zur Hauptverhandlung entstehen könnte, gegen einander abwägen.
In diesem Fall haben wir auf der eine Seite Lutz Heilmann (schön passender Name übrigens). Er fühlt sich in seine Persönlichkeitsrechte gekränkt. Der Grund ist eine Seite in der Wikipedia, der täglich von rund 20 Personen abgerufen wird, und worauf teilweise Sachen wiedergegeben werden, die schon 2005 in der Spiegel abgedruckt wurden. Jetzt (nach 3 Jahren) ist es ihm aber plötzlich so wichtig, die Verbreitung dieser Behauptungen zu stoppen, dass er nicht bis zur Hauptverhandlung warten kann - also beantragt er eine Einstweilige Verfügung.
Der Richter muss nun die Dringlichkeit diesen Antrages gegen die Presse- und Meinungsfreiheit in DE abwägen. Das hätte eigentlich nicht schwierig sein sollen.
Und noch etwas. Lutz Heilmann hat sich nachher damit entschuldigt, er habe vorher "alle andere Möglichkeiten vergeblich versucht". Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Damit gibt er nämlich zu, dass eine Dringlichkeit gar nicht bestanden hat. Wenn er schon vorher monate- oder jahrelang geduldig alle andere Möglichkeiten versuchen konnte, dann hätte er wohl auch jetzt 3-4 Wochen bis zur Hauptverhandlung warten können.
Damit gibt er eigentlich zu, dass er nicht den einstweiligen Verfügung beantragt hat, um weiteren Schaden zu verhindern, sondern ihn als Druckmittel in der Sache missbraucht hat.
Hallo Lars,
auch in seinen Abwägungen ist er absolut frei, aus meiner Erfahrung(8 Jahre Schöffe beim Landgericht Essen) steht für mich fest, dass sehr oft viele Dinge sich von ganz alleine erledigen!!!!
In nehme an, dass dieser Richter ebenfalls so verfahren hat.
Es ist nur schade, dass in der Öffentlichkeit nicht immer rüberkommen kann, welch gute Arbeit die gesamte Justiz macht(von menschlichen Fehlern abgesehen)
Ansonsten stehe ich, wie von dir geschrieben, hinter deiner Einlassung.
Die einzig wahre Problematik stellt unsere Politik dar, niemals die Rechtsprechung.
In diesem Sinne
LG
Dirk
auch in seinen Abwägungen ist er absolut frei, aus meiner Erfahrung(8 Jahre Schöffe beim Landgericht Essen) steht für mich fest, dass sehr oft viele Dinge sich von ganz alleine erledigen!!!!
In nehme an, dass dieser Richter ebenfalls so verfahren hat.
Es ist nur schade, dass in der Öffentlichkeit nicht immer rüberkommen kann, welch gute Arbeit die gesamte Justiz macht(von menschlichen Fehlern abgesehen)
Ansonsten stehe ich, wie von dir geschrieben, hinter deiner Einlassung.
Die einzig wahre Problematik stellt unsere Politik dar, niemals die Rechtsprechung.
In diesem Sinne
LG
Dirk
So langsam schlägt die Sucht durch
Die Sperrung von Wikipedia und deren Ergebnisse
Nachdem Lutz Heilmann einen Rückzieher gemacht hat und Wikipedia.de wieder online ist, wollte ich auf die Ergebnisse der ganzen Aktion zu sprechen kommen.
Heilmann hat sich und die Linkspartei mit seinem juristischen Vorgehen gehörig diskreditiert, die Partei hat sich von der Aktion distanziert, siehe:
http://www.heise.de/newsticker/Wikipedia-Sperre-Linke-distanziert-sich-von-Heilmann--/meldung/118979
Ob´s hilft ist eine andere Frage und Heilmann hat ja in der Öffentlichkeit gehörig sein Fett dafür gekriegt. Es bleibt zu hoffen, daß er daraus gelernt hat; sicher bin ich mir da nicht, da er offenbar weiter rechtlich vorgehen will und Strafanzeige gegen mehrere Personen gestellt hat, darunter zwei Wikipedia-Autoren.
Interessant finde ich, daß nach dem ganzen Theater nun wiederum der Wiki-Artikel über Heilmann offenbar komplett überarbeitet worden ist, und drei der vier von Heilmann kritisierten Passagen entfernt sind. Ua. die offensichtliche Falschmeldung, daß Heilmanns Immunität als Bundestagsabgeordneter am 17.10. aufgehoben worden sein soll.
Die im Heise-Verlag erscheinende Computerzeitschrift c´t schreibt in ihrer jüngsten Ausgabe (25/2008), daß auch andere Aussagen in dem seinerzeit umstrittenen Wiki-Artikel über Heilmann schlecht oder gar nicht belegt waren, und somit nicht den Qualitätsanforderungen von Wikipedia entsprochen hätten.
Das ist scheint nun doch eine Schwachstelle von Wikipedia zu sein, daß dortige Artikel nicht zum ersten Mal so neben den Fakten liegen, daß sie angreifbar werden.So haben in 2006 die Eltern des verstorbenen Hackers "Tron " (Spitznahme) gegen Wikipedia geklagt, weil sie durch die Nennung des bürgerlichen Namens von Tron die Persönlichkeitsrechte ihres Sohnes verletzt sahen. Auch aus der Hackerszene gab es reichlich Proteste
Mir selbst geht es auch des öfteren so, daß ich zu Themen, zu denen ich selbst sachkundig bin, über Wikipedia Darstellungen nur den Kopf schütteln kann.
Und ein interessantes Beispiel zur "Qualität" von Wikipedia und der Manipulationsanfälligkeit gab es im letzten Monat, als sich mannigfaltige Edits der Darstellung über Sarah Palin als Beiträge eines Wahlkämpfers von McCain herausstellten.
Nun ist mir klar, daß der Fall eines ehemaligen Mitarbeiters des Ministeriums für Staatssicherheit (Personenschutz) nicht gerade der ideale Aufhänger für eine Diskussion um Wikipedia ist. Trotzdem und natürlich ohne das juristische Vorgehen Heilmanns zu rechtfertigen oder auch nur zu entschuldigen: Mir erscheint Wikipedia nicht ganz unschuldig an der ganzen Geschichte zu sein und der Fall Heilmann scheint mir auch wieder diese Schwachstelle der Wiki bloßgelegt zu haben.
Das dürfte auch ein Ergebnis des Falles Heilmann ./. Wikipedia zu sein.
Der Anwalt von Wikipedia ist auch nicht glücklich. weil er sagt, daß sich durch die Aktion der falsche Eindruck festsetzen könnte in der Öffentlichkeit, daß jedermann durch eine einstweilige Verfügung Wikipedia lahmlegen kann. Er wünscht sich ein eindeutiges Urteil, daß klarstellt, daß Wikimedia Deutschland nicht für Wikipedia Artikel hafte.
Und da sind wir ja schon fast wieder beim DK-Forum angelangt, denn die Foren-Haftung ist ja wohl auch nach wie vor eine recht unerfreuliche juristische Grauzone; wie wir zuletzt auch in der Diskussion um den Thread Vejers-Strand sehen konnten. Oder spanne ich da jetzt den Bogen zu weit?
Heilmann hat sich und die Linkspartei mit seinem juristischen Vorgehen gehörig diskreditiert, die Partei hat sich von der Aktion distanziert, siehe:
http://www.heise.de/newsticker/Wikipedia-Sperre-Linke-distanziert-sich-von-Heilmann--/meldung/118979
Ob´s hilft ist eine andere Frage und Heilmann hat ja in der Öffentlichkeit gehörig sein Fett dafür gekriegt. Es bleibt zu hoffen, daß er daraus gelernt hat; sicher bin ich mir da nicht, da er offenbar weiter rechtlich vorgehen will und Strafanzeige gegen mehrere Personen gestellt hat, darunter zwei Wikipedia-Autoren.
Interessant finde ich, daß nach dem ganzen Theater nun wiederum der Wiki-Artikel über Heilmann offenbar komplett überarbeitet worden ist, und drei der vier von Heilmann kritisierten Passagen entfernt sind. Ua. die offensichtliche Falschmeldung, daß Heilmanns Immunität als Bundestagsabgeordneter am 17.10. aufgehoben worden sein soll.
Die im Heise-Verlag erscheinende Computerzeitschrift c´t schreibt in ihrer jüngsten Ausgabe (25/2008), daß auch andere Aussagen in dem seinerzeit umstrittenen Wiki-Artikel über Heilmann schlecht oder gar nicht belegt waren, und somit nicht den Qualitätsanforderungen von Wikipedia entsprochen hätten.
Das ist scheint nun doch eine Schwachstelle von Wikipedia zu sein, daß dortige Artikel nicht zum ersten Mal so neben den Fakten liegen, daß sie angreifbar werden.So haben in 2006 die Eltern des verstorbenen Hackers "Tron " (Spitznahme) gegen Wikipedia geklagt, weil sie durch die Nennung des bürgerlichen Namens von Tron die Persönlichkeitsrechte ihres Sohnes verletzt sahen. Auch aus der Hackerszene gab es reichlich Proteste
Mir selbst geht es auch des öfteren so, daß ich zu Themen, zu denen ich selbst sachkundig bin, über Wikipedia Darstellungen nur den Kopf schütteln kann.
Und ein interessantes Beispiel zur "Qualität" von Wikipedia und der Manipulationsanfälligkeit gab es im letzten Monat, als sich mannigfaltige Edits der Darstellung über Sarah Palin als Beiträge eines Wahlkämpfers von McCain herausstellten.
Nun ist mir klar, daß der Fall eines ehemaligen Mitarbeiters des Ministeriums für Staatssicherheit (Personenschutz) nicht gerade der ideale Aufhänger für eine Diskussion um Wikipedia ist. Trotzdem und natürlich ohne das juristische Vorgehen Heilmanns zu rechtfertigen oder auch nur zu entschuldigen: Mir erscheint Wikipedia nicht ganz unschuldig an der ganzen Geschichte zu sein und der Fall Heilmann scheint mir auch wieder diese Schwachstelle der Wiki bloßgelegt zu haben.
Das dürfte auch ein Ergebnis des Falles Heilmann ./. Wikipedia zu sein.
Der Anwalt von Wikipedia ist auch nicht glücklich. weil er sagt, daß sich durch die Aktion der falsche Eindruck festsetzen könnte in der Öffentlichkeit, daß jedermann durch eine einstweilige Verfügung Wikipedia lahmlegen kann. Er wünscht sich ein eindeutiges Urteil, daß klarstellt, daß Wikimedia Deutschland nicht für Wikipedia Artikel hafte.
Und da sind wir ja schon fast wieder beim DK-Forum angelangt, denn die Foren-Haftung ist ja wohl auch nach wie vor eine recht unerfreuliche juristische Grauzone; wie wir zuletzt auch in der Diskussion um den Thread Vejers-Strand sehen konnten. Oder spanne ich da jetzt den Bogen zu weit?