Neuwahlen in Dänemark!

Sonstiges. Dänemarkbezogene Themen, die in keine andere Kategorie passen.
Patrik

Beitrag von Patrik »

@Joe100:
ich habe neulich etwas darüber gelesen, dass es doch große Unterschiede gibt. Venstres Anhänger z.B. sollen im Großraum Kopenhagen nicht so stark vertreten sein, dafür sind sie insbes. an Jütlands Westküste stark vertreten.

Mir würde aber denkbare Erklärungen dafür interessieren. Ich denke, es muss dann mehr dahinter stecken, als übliche Unterschiede zwischen Stadt und Land (denn schließlich ist ja nicht nur Westjütland ländlich geprägt..)

Patrik
Martin Hofer

Beitrag von Martin Hofer »

Hej,

wenn ich mich recht erinnere, ist Venstre traditionell eine Partei mit stark bäuerlichem Hintergrund und dürfte deshalb auch heute "am flachen Land" mehr Sympathisanten haben als in Großstädten. Habe ich das richtig in Erinnerung?

-- Martin
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Hmmm, das ist ja ein großes Thema - und eins, wo man manche über die Füße treten könnte ;-)

Am besten wir fangen mit der Geschichte an. Vor 50 bis 100 Jahren war es relativ einfach:

SPD - Partei der Arbeiter, daher stark in Kopenhagen, aber auch in Städten wie Århus, Odense, Ålborg, Randers etc.
Venstre - Partei der Bauern, daher stark auf dem Lande insbesondere in Jütland.
Radikale Venstre - Partei der Kleinbauer, Hochburg in Nordwest-Jütland (Skive Folkeblad galt lange als die Parteizeitung)
Konservative - Partei der Arbeitgeber und Selbständige in den Städten, stark in der Gegend nördlich von Kopenhagen (Gentofte, Hellerup etc.) und auf Frederiksberg, wo sie jahrzehntelang die absolute Mehrheit hatten.

Dann gab es auch noch die Kommunisten, die in den Jahren 1945-1956 relativ gut stand. Hochburg waren die Arbeiterviertel in Kopenhagen.

Inzwischen hat sich aber einiges geändert. 1956 fiel die Kommunistische Partei auseinander. Der größere teil der Mitglieder formten Socialistisk Folkeparti, die immer noch im Parlament sitz. Die sich aber inzwischen deutlich geändert hat und jetzt sogar für die EU ist. Heute kann man kaum SF als Arbeiterpartei bezeichnen. Sie steht immer noch links von der SPD, ist aber mehr eine Partei von gut ausgebildete in den Städten, Intellektuelle und öffentlich Angestelte.

1967 bildete SF die parlamentarische Basis für eine SPD-Minderheitenregierung. Darüber ist sie dann nochmal zersplittert. Eine kleinere Gruppe auf der linken Flügel hat die Partei verlassen und Venstresocialisterne gebildet. Nach etliche Jahre mit zersplitterungen und Parteigründungen ist daraus und aus den rest der Kommunisten dann letztendlich Enhedslisten geworden. Die stehen deutlich besser in Kopenhagen als sonstwo.

Was den vier alten Parteien angeht, ist in den letzten 20-30 Jahren auch einiges geschehen. Die SPD haben ein Teil ihre traditionelle Wählerschaft unter den Arbeitern an erst Fremskridtspartiet und später noch mehr an Dansk Folkeparti verloren. Die SPD steht aber immer noch am besten in Kopenhagen und andere größere Städte.

Venstre hat den Wandel von Bauern- zur Volkspartei geschaft. Ich denke sie ist inzwischen fast so gut in den Städten wie auf dem Lande vertreten. Sie haben bei 7 oder 8 Wahlen hinter einander Stimmen gewonnen. Es war bei den letzten Wahlen sehr deutlich. Venstre wurde größte Partei (das war die SPD sonnst fast 100 Jahre lang gewesen), gleichzeitig konnte Venstre das Bürgermeisteramt in Århus gewinnen.

Radikale Venstre ist im Moment ein etwas merkwürdiges Partei. Sie war die Partei der Kleinbauern und das ist sie teilweise immer noch. In den letzten Jahren ist sie aber auch die Partei der Yupiies in Kopenhagen geworden.

Alle diese Entwiklungen führt natürlich dazu, daß es nicht ganz einfach ist, die Regionale Hochburgen der Parteien auszumachen. Aber man kan wohl in etwa sagen:

SPD, mehr in den Städten nicht nur Kopenhagen.
Radikale Venstre, Kleinbauern in Jütland und Yupiies in Kopenhagen.
Konservative, steht gut in den reicheren Vororten nördlich von Kopenhagen.
Dansk Folkeparti, steht gut in einige traditionelle Arbeitergebiete und bei den Fischern an der Westküste.
Kristendemokraterne haben einen deutlichen Hochburg in den Bezirken Ringkøbing und Viborg.

Also alles etwas kompliziert, aber hoffentlich war dies ein Hinweis.



Bearbeitet von - ljhelbo am 19.01.2005 22:19:55
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Tullebølle
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Beitrag von Tullebølle »

häähää
Zuletzt geändert von Tullebølle am 15.02.2007, 01:28, insgesamt 1-mal geändert.
Patrik

Beitrag von Patrik »

... so ungewöhnlich ist es nun nicht an einem Werktag zu wählen. Die wohl bekanntesten Beispiele dafür sind Großbritannien und USA.

Patrik
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Dienstag ist hier der traditionelle Wahltag (entweder Dienstag oder Donnertag). Dia Wahllokale sind bis 20 Uhr geöffnet.
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Martin Hofer

Beitrag von Martin Hofer »

@Tullebølle:
<BLOCKQUOTE id=quote><font size=1 face="Verdana, Helvetica, arial" id=quote>quote:<hr height=1 noshade id=quote>Ich schätze Deine kenntnisreichen Kommentare sehr (das ist kein Witz!).<hr height=1 noshade id=quote></BLOCKQUOTE id=quote></font id=quote><font face="Verdana, Helvetica, arial" size=2 id=quote>
Tja, das ist der Nachteil, wenn man den Ruf als Forums-Komiker weg hat: Man muss extra darauf hinweisen, wenn man mal was ersnt meint! ;-)

@Lars
Noch vor ein paar Tagen dachte ich mir: Wir müssten mal einen Artikel schreiben, in dem das dänische Parteiensystem erklärt wird, das doch so anders ist als das deutsche. Mit Deinem informaticen Beitrag hast Du das fast schon vorweg genommen! Danke!

-- snorri
Ursel
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Beitrag von Ursel »

Hej Martin!
Ein bißchen haben wir das hema auch schon nachd en letzten Wahlen gestreift, schaut mal hier:
http://www.dk-forum.de/Datenbank/topics/489.htm

(hoffentlich ist das jetzt richtig, Maybritt?)

Gruß aus DK - Ursel!

Bearbeitet von - Ursel am 20.01.2005 17:16:40
""Den virkelige opdagelsesrejse går ikke ud på at finde nye lande,
men at se med nye øjne."

---------------------------------------------------------Marcel Proust
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joe100
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Beitrag von joe100 »

Lars,

die Frage mag extrem blöd sein, aber
- Microsoft Encarta erklärt unter dem Titel Dänemark - Politische Parteien "Venstre" mit "Rechtsliberale"
- das Wort "Venstre" bedeutet "links"

Wo liegt da der Sinn ??

Hils
Dieter
Martin Hofer

Beitrag von Martin Hofer »

<BLOCKQUOTE id=quote><font size=1 face="Verdana, Helvetica, arial" id=quote>quote:<hr height=1 noshade id=quote>- Microsoft Encarta erklärt unter dem Titel Dänemark - Politische Parteien "Venstre" mit "Rechtsliberale"
- das Wort "Venstre" bedeutet "links"<hr height=1 noshade id=quote></BLOCKQUOTE id=quote></font id=quote><font face="Verdana, Helvetica, arial" size=2 id=quote>
Tja, lechts und rinks kann man schon mal verlwechsern :-)
Im Ernst: Nicht überall ist das politische Spektrum in gleicher Weise auf die Richtungen abgebildet. Auch nicht auf die Farben: Viele Parteien haben andernorts ganz ander Farben als in Deutschland, die Liberalen sind beispielweise meistens blau, nicht gelb.

-- Martin
Danebod

Beitrag von Danebod »

Die Partei Venstre ist sehr alt. Im vorletzten Jahrhundert gab es eigentlich nur zwei Parteien, Venstre und Højre. Die Venstre waren die neumodischen Liberalen, Højre die konservativ-reaktionären.

Die Sozialdemokratie entstand in Dänemark erst später. Von Venstre spaltete sich 1905 die Radikale Venstre im Streit um Militär- und Landwirtschaftspolitik ab. Der Name bedeutet also wörtlich "Radikale Linke", aber es ist nach wie vor eine eher sozialliberale Partei.

Venstre hat in den letzten Jahren im Bereich der Ausländer- und Einwanderungspolitik ziemlich offen rechtsradikale Positionen bezogen, auch andere wie die Sozialdemokratie haben in dieser Frage einen deutlichen Rechtsruck durchgemacht, ähnlich wie auch die Christfaschisten und andere in Deutschland.

Die ganze Parteiengeschichte in Dänemark ist auch deshalb anders als in Deutschland, weil die deutschen Parteien eine durch das Dritte Reich gebrochenere Geschichte haben und die Existenz kleinerer Parteien in Dänemark durch die 2-%-Hürde einfacher ist als in Deutschland.

Bearbeitet von - danebod am 20.01.2005 20:44:16
Lukas

Beitrag von Lukas »

Exkurs


Laut einer Studie des Forschungs-und Beratungsunternehmens TNS Infratest haben politische Parteien weltweit einen schlechten Ruf. In Deutschland sei deren Ansehen besonders negativ, dagegen gebe es für Dänemark sehr positive Indexwerte für die politischen Parteien.


http://www.tns-infratest.com/03_presse/presse_detail.asp?ID='241''


Lukas


(Diese Information soll keine Paralleldiskussion auslösen, sie erschien mir interessant und wusste allerdings nicht so recht , wo ich sie platzieren sollte, und einen neuen Thread wollte ich auch nicht eröffnen.)
Danebod

Beitrag von Danebod »

@Lukas

Ich finde, der link passt gut zum Thema. Man spricht in Dänemark viel von politikerlede und in Deutschland von Politikverdrossenheit, aber die Wahlbeteiligung ist in Dänemark bei einer Folketingswahl deutlich höher als in Deutschland bei einer Bundestagswahl, und persönlich erwarte ich auch wieder so bei 80 %.
Martin Hofer

Beitrag von Martin Hofer »

<BLOCKQUOTE id=quote><font size=1 face="Verdana, Helvetica, arial" id=quote>quote:<hr height=1 noshade id=quote>Christfaschisten<hr height=1 noshade id=quote></BLOCKQUOTE id=quote></font id=quote><font face="Verdana, Helvetica, arial" size=2 id=quote>
Ohne damit eine Nebendiskussion eröffnen zu wollen erhebe ich hiermit Einspruch gegen diesen Ausdruck. Das hat nichts mit meiner persönlichen Meinung zu tun (ich bin kein CDU-Anhänger), sondern damit,

a) dass durch den Vergleich einer durchschnittlich-konservativen Partei mit den Faschisten der Faschismus geradezu verniedlicht wird (was sicher nicht Deine Absicht ist), und

b) durch solche beiläufigen Seitenhiebe der Ton einer Diskussion ganz unnötig verschärft wird.

Ich sage das hier, weil Du diesen Ausdruck ja nicht zum ersten Mal benutzt; weitere Diskussion dazu aber aber gegebenenfalls bitte in der Plauderecke!

-- Martin
Danebod

Beitrag von Danebod »

@snorri

Eine Diskussion darüber wäre hier wirklich fehl am Platze und würde völlig vom Thema der Folketingswahl in Dänemark wegführen, deshalb hier auch nichts weiter von mir dazu.

Ich habe zwei andere links gefunden, die sich mit der Landtagswahl in Schleswig-Holstein am 20. Februar befassen. Eigentlich auch off-topic, dennoch setze ich sie hier rein, weil ich wissen möchte, ob jemand etwas Vergleichbares aus Dänemark kennt. Es geht, vereinfacht, darum, Prognosen für das Wahlergebnis aus einem virtuellen Börsenhandel mit Parteiaktien abzuleiten. Das gibt es seit einigen Jahren, und die Ergebnisse sind mindestens so gut wie die des Institutes für Nölloskopie und ähnlicher Kaffeegrumskieker.

http://psm.em.uni-karlsruhe.de/psm/?refId=kksh2005

http://62.206.22.118/cgi-bin/main.cgi
Antworten