Tatzelwurm hat geschrieben:
Es gibt eben son ne und son ne.
Das steht außer Frage. Nur lassen leider einige wiederholte Aussagen beim unbedarften Leser den Anschein erwecken als dass sich Hartz IV-Empfänger so einigen Luxus leisten können. Einige andere Forenmitglieder sehen das so wie ich und haben das auch in entsprechenden Beiträgen zum Ausdruck gebracht (siehe Thread „Vor der dänischen Grenze einkaufen oder nach der Grenze“, Seite 4 ff.)
Allerdings.... und der Sozialhilfeempfänger mit seinen 4 Schule schwänzenden Kindern hat natürlich genug Erspartes um alles nach der Grenze einzukaufen.
Ein deutscher Sozialhilfeempfänger, möglichst noch mit 2 Kindern, holt die Kinder in der Nebensaison aus der Schule und und macht von seinen 400 Euro Sozialhilfe die er bezieht, einen gemütlichen Urlaub in Dänemark.
Wenn ich hier in Kreuzberg die "armen Hartzler" mit ihren getunten Audis sehe denke ich schon, dass neben den 500 bis 600 Euronen fürs Ferienhaus auch noch der eine oder andere Taler für den DK-Discounter übrig ist.
Solche kriminellen Autorennen, mit getunten Autos, gibts übrigens nicht nur in Berlin sondern auch in anderen deutschen Großstädten und zunehmend auch auf dem Land! Die Täter kommen alle aus einem ähnlichen Umfeld.
Es gab noch andere derartige teils diskriminierende Beispiele dieser Art, die ich jetzt nicht mehr finde. Gelöscht?
Dies sind genau die Aussagen, die dazu beitragen, Unzufriedenheit, bis hin zu Hass gegenüber Arbeitslosen und Hartz IV-Empfängern zu schüren. Sie fördern die Bildung vor Voruteilen und Schubkastendenken.
Und dann wären da noch die Falschinformationen die bei dem uninformierten Leser den Anschein erwecken, dass Hartz IV-Empfänger einer privilegierten Gesellschaftsschicht angehören:
Privat Versicherte Hartz-4 Empfänger haben sogar Anspruch auf Erstattung des vollen Basitarifs der PKV.
Richtig ist: Hartz IV-Empfänger sind verpflichtet, den Basistarif der PKV in Anspruch zu nehmen, der dann lediglich die Leistungen der gesetzlichen KK gewährt. Das Jobcenter übernimmt dann die Hälfte des maximalen Basistarifs von 665,29 Euro = 332,65 Euro. Hintergrund: Von Hartz IV-Empfängern dürfen die Privat-Kassen auf Antrag nur den halben Beitragssatz verlangen.
Hierzu gibt es eine Grundsatzentscheidung des Bundessozialgerichts (AZ: B 4 AS 108/10 R)
Dieses sollte auch dem Foristen mit Jurastudium hier im Forum eigentlich bekannt sein.
Auch Aussagen wie:
Der Bezug der Hartz4-Leistungen ist für diesen Personkreis oft attraktiver als eine Arbeit als Ungelernter, im Niedriglohnsektor.
oder
Ca. 90% ihrer "Kundschaft" signalisiert bereits im Beratungsgespräch, dass die Ausübung einer Arbeit nicht erwünscht ist.
impliziert bei vielen Lesern doch so etwas wie „Siehst du, die Hartzer haben alle Null Bock auf Arbeit und wollen nur unsere Kohle.“
Personen, die diesem Personenkreis zuzurechnen sind gibt es ganz sicherlich. Aber es sind sicherlich die Ausnahmen und schon gar nicht 90 Prozent aller Betroffenen.
Aussagen in der Form, dass man sich das Geld fürs Essen ja sparen kann indem man regelmäßig die Lebensmittel bei der Tafel holt oder grundsätzlich die 30 Prozent Rabatt-Artikel bei den Discountern kauft sind m.E. grenzwertig bzw. unrealistisch.
Beispiel die örtlichen Tafeln: Je nach Örtlichkeit sind die mehr oder weniger gut bestückt. Jedenfalls kann der Nachfrage bei weitem nicht gerecht werden. Deshalb wird die Zuteilung der zur Verfügung stehenden Lebensmittel streng reglementiert. In Oldenburg beispielsweise werden an einem Haushalt nur einmal wöchentlich Lebensmittel ausgegeben (mit Berechtigungsnachweis), an einen 3 – 4 Personen Haushalt beispielsweise zwei Portionen:
https://www.oldenburger-tafel.de/pdf/Ol ... 7_2010.pdf
Rabattierte Lebensmittel mit begrenztem Haltbarkeitsdatum (1-2 Tage) in den Supermärkten bzw. bei Discountern: Die Auswahl bei unserem Lidl, Aldi oder Edeka ist da mehr als bescheiden. Mal sind es ein paar Joghurts und zwei Packungen Würstchen, ein andermal Mortadella und saure Sahne. Vielleicht ist es woanders mehr, ich weiß es nicht. Ich glaube aber nicht, dass ich eine Familie mit diesen Lebensmitteln regelmäßig satt bekomme. Zudem: Wer will sich schon vorschreiben lassen, was er heute oder morgen zu essen hat?
Beides, sowohl die Tafel als auch die meist mit 30 Prozent rabattierten Lebensmittel bieten nicht nur dem Hartz IV-Empfänger die Möglichkeit etwas sparsamer einzukaufen. Das ist unbestritten. Dabei kann der besagte Personenkreis aber nicht so viel einsparen, als dass der sich neben dem Auto noch ein teures Hobby und einen Ferienhausurlaub erlauben kann.
Es sei denn…
Kindergarten und Grundschule vor Ort: Immer mehr Kinder kommen morgens in die Einrichtungen, ohne zuhause gefrühstückt zu haben. In der Regel haben auch gerade diese Kinder von ihren Eltern kein Frühstück für die Pause mitbekommen. Diese Kinder werden von verschiedenen Sponsoren (Geschäftsleuten aus der Region) versorgt. Auch von der Tafel gibt’s hin und wieder etwas.
Sind das jetzt evtl. die Eltern ohne Arbeit aber mit Auto, teuren Hobbys und Urlaubsplänen?
Ich bin da auch hin- und hergerissen. Sicher, diese Beobachtungen in den Kindergärten und Schulen werden bundesweit gemacht. Und mit der zunehmenden Kluft zwischen arm und reich gibt es mehr von diesen Kindern, die zuhause unzureichend versorgt werden. Und in der Tat sind recht häufig die Eltern an dieser Versorgungsnotlage der Familie schuld, einfach weil sie nicht in der Lage sind mit ihrem wenigen zur Verfügung stehenden finanziellen Mitteln adäquat zu wirtschaften. Da ist dann häufig eine unangepasste Lebensweise Grund für den Versorgungsnotstand (Auto, teures Hobby, Alkohol, Nikotin…).
Die Hartz IV-Regelsätze (ohne Miete + NK) berücksichtigen in erster Linie die Versorgung der Familie mit Lebensmitteln. Früher wurde da mal jährlich der s.g. „Warenkorb“ alljährlich neu berechnet. Das geschieht aber schon lange nicht mehr. Stattdessen werden jährlich die Hartz IV-Sätze um den Inflationsrate angehoben.
Grundsätzlich aber ist die Grundlage der heutigen Hartz IV Regelsatzverordnung noch immer der Warenkorb von einst (plus jährl. Inflationsausgleich). Von daher weiß ich aus meiner früheren beruflichen Tätigkeit, dass sich in diesem imaginären Warenkorb auch Güter befanden, die über die Sicherung des Überlebens hinausgingen, so z.B. der Betrag für eine Kinokarte.
Keinesfalls waren und sind da aber Beträge für die Unterhaltung eines PKW, kostspielige Hobbys oder Urlaubsreisen enthalten.
Wer sich derartiges denn leisten will, muss zwangsläufig an anderen Dingen sparen. Wie bereits gesagt: Die Kindergärten und Schulen und auch die Jugendämter können ein Lied davon singen.
Mein Fazit: Die Hartz IV-Regelsätze sind soweit ok. Wer sich aber gesund und abwechslungsreich ernähren will (nicht aus dem Bioladen!) und dabei auch das Wohl seiner Kinder berücksichtigt, muss stets gut rechnen. Es reicht zum Leben, keine Frage. Aber für mehr auch nicht.
Und dann noch: Was soll dieses Thema eigentlich in einem Dänemarkforum? Gegen ein wenig blödeln und Themenabweichendes ist ja nichts einzuwenden. Dafür gibt’s ja auch schließlich entsprechende Themenberteiche. Aber hier über Hartz IV unqualifiziert zu fabulieren halte ich nicht für angemessen. Dafür gibt es andere Foren.
Vielleicht sollte ich einen Religionsthread aufmachen?
So, jetzt geht es an den Adventskranz. Der Tee wartet schon. Euch allen eine schöne Adventszeit.