Frage zu Grönland

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eventyrerske
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Frage zu Grönland

Beitrag von eventyrerske »

Hallo,

ich habe vor kurzem in einem Kneipengespräch gehört, dass "die Dänen" irgendwann in den letzten Jahrzehnten grönländische Kinder aus ihren Familien geholt hätten, um sie in Dänemark aufwachsen zu lassen. Angeblich wären das heute die grönländischen Alkoholiker, die man immer mal wieder mal auf der Straße in Kopenhagen trifft.
Bei einer - zugegebenermaßen etwas planlosen - Recherche im Internet habe ich dazu nichts gefunden.
Weiß jemand, ob das ein Gerücht ist, oder ob da was dran ist, und wenn ja was?

Grüße,
die Ev
Klaus12
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Beitrag von Klaus12 »

ich denke, dass es schwer ist so eine frage zu beantworten, da man dann ganz schnell als rassistisch oder voreingenommen gilt.
fakt ist, dass grönland zu dänemark gehört und dass natürlich viele grönländer in dänermark wohnen. natürlich gibt es dann auch kinder von grönländern, die bei pflegefamilien in dänemark aufwachsen.
aber es gibt auch grönländische kinder, die in dk aufwachsen, weil die eltern krank sind, oder finanziell nicht in der lage sind, sich um das kind zu kümmern oder weil die eltern tod sind- es muss also nicht zwangsläufig am alkohol liegen- und wenn das doch am alkohol liegt, kann ich nur sagen, dass überall auf der welt getrunken wird und überall deswegen kinder weggenommen werden, um in pflegefamilien aufzuwachsen.

ich hoffe jetzt, dass ich mich so geäußert habe, ohne dass jemand mir böse ist.
udo66

Beitrag von udo66 »

kommt wohl hin - ich denke, in Europa wird genauso viel getrunken - nur das es relativ wenige Grønlander gibt, krasse soziale Abseitssiedlungen und offenes Leben, es wird also nichts verheimlicht sondern die geben sich relativ so wie sie eben gerade sind..

Es gibt weniger Chancen in GL und wer natuerlich einmal in Kopenhagen gelebt hat, moechte wohl nicht mehr so schnell wieder weg. Es gibt einige Grønlander, die mithelfen, Sozialarbeit zu machen und mit beim Kulturleben zu helfen.

Wiei gesagt, erlebt habe ich beides, krasse Gegensaetze und eine barsche Natur, wo wir keine Chance zum Ueberleben haetten. :-)
eventyrerske
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Beitrag von eventyrerske »

Ich hoffe nicht, dass ich meine Frage mißverständlich formuliert habe, bitte aber auch darum, diese genau zu lesen ;-)

Ich wollte nicht wissen, ob Alkoholikern die Kinder weggenommen werden, sondern ob aus politischen Gründen - hab vorhin nicht daran gedacht, dass dazu zu schreiben - Kinder aus ihrer Familie in Grönland geholt wurden und in dänischen Familien in Dänemark aufgewachsen sind. Angeblich - wie schon oben erwähnt - ein Phänomen der Vergangenheit und nicht der aktuellen Geschichte.

Ich bin generell an der Geschichte von Ländern interessiert, und jetzt wohne ich nun einmal hier. Mit Rassismus habe ich nichts am Hut ... bin schließlich selber Ausländerin.
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Lars J. Helbo
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Re: Frage zu Grönland

Beitrag von Lars J. Helbo »

eventyrerske hat geschrieben:ich habe vor kurzem in einem Kneipengespräch gehört, dass "die Dänen" irgendwann in den letzten Jahrzehnten grönländische Kinder aus ihren Familien geholt hätten, um sie in Dänemark aufwachsen zu lassen.
So wie Du das hier schreibst ist das schlicht weg Blödsinn.

Aber bei 30.000 Einwohner sind die Ausbildungsmöglichkeiten auf Grönland natürlich begrenzt. D.h. z.B. wer studieren will muss natürlich nach DK kommen. Aus diesem Grund kommen natürlich viele Jugendliche nach DK.
eventyrerske hat geschrieben:Angeblich wären das heute die grönländischen Alkoholiker, die man immer mal wieder mal auf der Straße in Kopenhagen trifft.
Na ja, vielleicht sollte man etwas weniger generalisieren. Es gibt Grönländer in DK, die Alkoholprobleme haben - und welche, die es nicht haben, aber ich denke man sollte da auf den Einzelfall sehen.
eventyrerske
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Re: Frage zu Grönland

Beitrag von eventyrerske »

So wie Du das hier schreibst ist das schlicht weg Blödsinn.
Ist mir klar, dass das eine Generalisierung ist ... oder Blödsinn. So hab ich´s eben gehört und genau deshalb frage ich hier nach ... will ja nicht jeden Blödsinn glauben. Gerade nicht bei so einem Thema.

Das heißt also, es gab keine "Zwangsentfernungen", sondern Jugendliche sind nur zu Ausbildungszwecken (und vermutlich zur Arbeitssuche) nach Dänemark gekommen?
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ja, genau.
eventyrerske
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Beitrag von eventyrerske »

Aha ... danke schonmal für alle Auskünfte. :)
Biggi hat geschrieben:Unsere Dänischlehrerin beim Sprachcenter hat uns erklärt, dass die grönländischen Kinder in Pflegefamilien nach DK geschickt wurden, damit sie die Sprache lernen. Als sie dann zurückkamen, wurden sie ausgegrenzt, deshalb wären dann viele von ihnen hier "hängen geblieben" und da sie sich nicht so integrieren konnten in DK, sind viele von ihnen ins soziale Abseits gerutscht.
Aber das gilt nicht mehr für heute, oder? Weiß jemand, wann das war?

... viele Fragen :) ... bin auch dankbar für Literaturtips oder links zu dem Thema ...
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ich denke hier werden einige verschiedene Sachen und ganz viele Vorurteile durch einander geworfen.

Also, viele jugendliche aus Grönland kommen nach DK zum studieren oder sonst zur Ausbildung (genau wie von den Färöern oder aus Island).

Was es auch gibt (auch heute noch) ist, dass Kinder aus Grönland nach DK zur Urlaub in Gastfamilien kommen. Die Stadt Fredericia hat z.B. so ein Programm mit deren Partnerstadt Ilulissat (Jakobshavn):

http://131.165.67.178/FredericiaKommune/Menu/kommunen/nyheder/nyhedsarkiv/2007nyheder/plejefamkanvinderejsegroenlang.htm

Im Rahmen dieses Programmes kommen jedes Jahr 10-11-Jährige Kinder für 8 Wochen in eine Gastfamilie nach Fredericia. Dabei geht es natürlich darum die Sprache zu lernen und die Kultur gegenseitig kennen zu lernen. Dänish ist ja in Grönland die erste Fremdsprache, und notwendig wenn man z.B. studieren will.

Das ist also in etwa vergleichbar mit die Programme, die es auch für Kinder aus Schleswig gibt.
eventyrerske
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Beitrag von eventyrerske »

Ja, mir ging es mehr um die historische Situation.

Aber was Lars zur aktuellen Situation schreibt, finde ich auch interessant.

Das Thema "Tatsachen und Vorurteile" ... wo einzelne Dinge einzuordnen sind, kann ich nicht beurteilen, weil ich bisher viel zu wenig Einblick in das Thema habe. Lese aber auch gerne mehr dazu :)

Grüße,
Ev
(die jetzt schlafen geht)
Bine 61

Beitrag von Bine 61 »

Guten Abend
Mein Partner (er ist Däne) konnte mir dazu auch nichts sagen, habe aber hier etwas im Internet gefunden.....

Det var i 60’erne, hvor mange grønlandske familier stadig sloges med fattigdom og nød. Nogle familier valgte at bortadoptere deres børn. De blev først sendt til børnehjem eller sanatorier i Grønland og siden ekspederet videre til adoptivfamilier i Danmark og Grønland, eller de blev sendt i pleje og senere adopteret.

Nogle af disse børn var i skolealderen, da de kom til Danmark, og forstod aldrig, hvorfor netop de var blevet sendt hjemmefra. Mange af dem har jeg mødt senere i livet – søgende efter deres rødder og en forklaring på den barske adskillelse fra familien.

Den ganzen Artikel findet ihr hier: http://politiken.dk/debat/kroniker/article556703.ece

Gute Nacht und lg Sabine
haagensen
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Beitrag von haagensen »

hej,
in den 50er jahren wurden 22 inuit kinder mehr oder weniger zwangsweise nach dänemark verbracht, um dort nach "dänischen massstäben" zu einer kuenftigen elite ausgebildet zu werden. das ganze endete fuer die kinder recht tragisch.

tine bryld, die auch den oben verlinkten artikel verfasste, hat dazu ende der 90er mal ein buch geschrieben "i den bedste mening", sehr interessant.
auf dieser konferenz http://www.rethinking-nordic-colonialism.org/ wurde auch ein film mit interviews gezeigt und auf dvd verteilt, weiss nicht ob man die noch kriegt, hab das noch in einem umzugskarton in d.land.......

Hier eine radiosendung zum Thema:
http://www.dr.dk/bonanza20_assets/Entrance.aspx/col/201/Audio/58144/title_ast/asc/1/Radiodokumentar__I_den_bedste_mening

das danske filminstutut hat kuerzlich 6 mill dkr zur verfilmung des stoffes bereitgestellt.


daneben gab es natuerlich in den 50-70er jahren zahlreiche adoptionen nach dänemark, die, um es vorsichtig zu sagen, nicht immer ganz koscher abliefen (dasselbe gilt auch fuer die zahlreichen adoptionen deutscher "besatzungskinder"). dazu läuft gerade einiges an wissenschaftlicher forschung (betreffend dänemark und skandinavien). so schlimm wie in australien, wo zwangsadoptionen von kindern der kolonialisierten bevölkerung gang und gäbe waren, war es in dk aber nicht.
im uebrigen haben die heutigen adoptierten aus grönland eine bessere psychische gesundheit als andere dänischadoptierte

http://www.webavisen.gl/?Id=6798

wenns interssiert hier noch ein artikel (englisch) zur frage der postkolonialen identität in grönland:
http://www.polsci.ku.dk/bibliotek/publikationer/2008/ap_2008_06.pdf

haagensen
eventyrerske
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Beitrag von eventyrerske »

@ Bine 61 und haagensen:
Danke für die links und den Buchtitel. Werde ich mir mal anschauen.

Gruß,
die Ev
vrigido
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Beitrag von vrigido »

Ich glaube heute ist das auch nicht mehr der Fall, zumindest nicht als Phänomen sondern als Einzelfälle vielleicht.