Standesunterschiede in DK ... ?

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RobertW
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Standesunterschiede in DK ... ?

Beitrag von RobertW »

Hallo, Ihr Lieben.

Ich habe (zugegebenermaßen eine etwas außergewöhnliche) Frage bezüglich Standesunterschieden in DK. Sowas gibt's ja durchaus auch bei uns Deutschen. Wie ist das bei den Dänen?

Auf die Idee, mir darüber Gedanken zu machen, kam ich beim Schauen des Filmes "Die Olsenbabde stellt die Weichen" (oder auf dänisch "Olsenbanden pa sporet").

In diesem Film zieht sich nämlich das Wohnen bestimmter Standesgruppen in bestimmten Wohnbezirken durch verschiedene Szenen des Filmes. Natürlich sind diese Dinge sicher sehr überzogen dargestellt, jedoch wird dies so denke ich im Originalfilm dennoch nicht ohne Grund durch den Regisseur mit einbezogen sein.

Im Film soll angeblich eine "gehobene Schicht" einer fiktiven Firma OGO in Gentofte wohnen, und wiederum eine andere Schicht (die der der "alten" Eisenbahner) in Valby. Dies wird sogar gezeigt, in dem einer der Eisenbahner eine Zeitung namens "Valby Dagbladet" in der Hand hält...

Ist das mit diesem standesgemäßen Wohnen tatsächlich so charakteristisch für DK?

Wer's sich mal anhören möchte, ich habe hier drei Szenen des Films als Ton in ein mp3-File zusammengeschnitten zum runterladen und zum kurz anhören (knapp 2MB):
[url]http://www.savefile.com/files/1458559[/url]
(zwar nicht in bester Qualität, aber man kann's deutlich verstehen)

Gruß RobertW[/url]
micha_i_danmark
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Beitrag von micha_i_danmark »

Standesunterschiede.. na ja..es gibt halt gute und weniger gute Wohnviertel und wer dort wohnen kann hängt vom Geldbeutel und dieser wiederum vom Bildungsgrad usw. ab. Auch nicht anders als in Deutschland. Außer das Dänen eher das auch Hanseaten bekannte "Understatement" pflegen, anstatt mit allem zu protzen. Siehe auch die Postings zum Janteloven.

Valby ist gar nicht mal so'n schlechter Stadtteil heute. Ursprünglich Arbeiterviertel, aber heute recht bunt gemischte Bevölkerungsschichten und Baustiele. Und dicht an der City dran. Da gibt es durchaus weitaus schlechtere Wohnviertelrund um Kopenhagen.
sven estridsson

Beitrag von sven estridsson »

micha_i_danmark hat geschrieben:Da gibt es durchaus weitaus schlechtere Wohnviertelrund um Kopenhagen.
dafür gibt es bestimmt eine bessere wortwahl als "schlechte wohnviertel"...

naja, kommt wahrscheinlich vom "guten Fernsehen", nicht wahr micha....

"guten tag noch" andersen
micha_i_danmark
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Beitrag von micha_i_danmark »

Welche Wortwahl hættest Du denn lieber? "Trabantenstædte" (wie in einem anderen Thread erwæhnt)?

Lieber gutes Fernsehen als immer mit der Klassenkampf-Brille durch die Gegend zu laufen :roll:
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Ich habe den Thread zuerst gar nicht öffnen wollen, denn das Wort "Standesunterschiede" klingt in meinen Ohren nach Feudalstaat/Absolutismus. Da fragt man sich schon mal, was für ein Weltbild der Verfasser hat. Erst wenn man den Thema öffnet, sieht man was gemeint ist. Ja, es gibt Schichtunterschiede, wie überall. Natürlich sind die Verhältnisse nicht mehr so wie 1965...

Und ja, gerade im Raum Kopenhagen gibt es eine sehr grosse Segregation, viel konsequenter als z.B. im Raum Frankfurt am Main. Eine Ursache sind z.B. die Kommunalsteuern einerseits und die örtlichen öffentlichen Leistungen andererseits. Vor 5 Jahren kostete beispielsweise Kinderkrippenplätze in Gentofte über 400 Euro pro Monat und Kind, d.h. annähernd doppelt so viel wie in anderen Gemeinden, während der Service schlechter war. Da braucht man sich nicht zu wundern. Und wenn der Unterschied der Einkommensteuer effektiv 2% beträgt, dann macht das für ein besserverdienendes Ehepaar mit einem zu versteuernden Einkommen von 1.000.000 kr. 20.000 kr. im Jahr aus. Das ist viel Geld. Und da das schon immer so war, sind die Häuser auch ein bisschen grösser - und viel teurer. Und sozialen Wohnungsbau gibt es keinen, abgesehen von einem Klotz im Autobahnkreuz.

Das Understatement und die fehlende Arroganz der dänischen Besserverdiener hat damit nichts zu tun. Diese Eigenschaften sind natürlich sehr angenehm im Kontakt über die Schichtgrenzen hinweg. Als Kopenhagener ist man aber äusserst geübt die diskreten Signale zu deuten. Der Wohnort ist ein solches, es wird sehr gezielt und wie nebenbei abgegeben. Dennoch: Diese Signale öffnen und schliessen Türen genau so wie die gröberen Keile in Deutschland.

Gruss Michael
Krogen
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Beitrag von Krogen »

RobertW schrieb:
In diesem Film zieht sich nämlich das Wohnen bestimmter Standesgruppen in bestimmten Wohnbezirken durch verschiedene Szenen des Filmes. Natürlich sind diese Dinge sicher sehr überzogen dargestellt, jedoch wird dies so denke ich im Originalfilm dennoch nicht ohne Grund durch den Regisseur mit einbezogen sein.
Im Film wird natürlich auch mit den Beispielen von Valby und Gentofte gespielt, weil es eben die Wohnorte der Olsenbande bzw. von Regisseur Erik Balling sind, der damals in Gentofte wohnte. (Ich vermute mal, auf der rechten Seite des Lyngbyweges.)
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Lars J. Helbo
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Re: Standesunterschiede in DK ... ?

Beitrag von Lars J. Helbo »

RobertW hat geschrieben: Ich habe (zugegebenermaßen eine etwas außergewöhnliche) Frage bezüglich Standesunterschieden in DK. Sowas gibt's ja durchaus auch bei uns Deutschen. Wie ist das bei den Dänen?
Ist natürlich schwer solche Fragen allgemein zu beantworten bzw. man muss dann immer jede Menge Vorbehalte aufstellen. Verglichen mit DE finde ich aber schon, dass es Unterschiede gibt.

Erstens sind die Einkommensunterschiede zwischen verschiedene Berufe deutlich kleiner bzw. sie werden durchs Steuersystem deutlich ausgeglichen. Zweitens finde ich, dass man hier wesentlich öffters "gemischte Paare" sieht. Damit meine ich ein Ehepaar, wo sie Ärtzin und er Lkw-Fahrer ist.

Drittens gibt es ein Unterschied im Berufsleben. Hier geht es eher darum "was man kann" und weniger darum "worauf man Papier hat". Ich denke das hat unter anderem mit dem Kündigungsschutz zu tun. Als Arbeitgeber kann man sich erlauben jemanden einzustellen, wenn man glaubt er kann den Job ausfüllen. Wenn es nicht geht, wird man nämlich diesen Arbeitnehmer auch wieder los. Man kann sich also ein Experiment erlauben, was irgendwie mehr Durchlässigkeit und Aufstiegsmöglichkeiten bringt.

Viertens gibt es ein deutlicher Unterschied in der Schule. Im internationalen Vergleich (auch mit DK) haben Kinder aus sozial schwache Familien in der DE Schule sehr schlechte Karten. In DK gibt es auch ein Zusammenhang zwischen sozialer Status der Eltern und der Abschluss der Kinder. Kinder aus sozial schwache Familien haben aber deutlich bessere Möglichkeiten Abitur zu machen, und der Anteil der Kinder, die ganz ohne Abschluss, die Schule verlassen, ist hier viel kleiner als in DE.

Die beiden letzten Punkte spielen dabei natürlich zusammen. Wer in DE aus eine sozial schwacher Familie kommt, hat in der Schule schlechte Karten und ohne guten Schulabschluss steht er später im Berufsleben auch sehr schlecht. Das ist hier insgesamt anders.
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MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Womit wir bei der Frage sind, wie leicht man sozial auf- oder absteigen kann.

Es gab vor wenigen Monaten wieder eine Studie einer internationalen Organisation, die dokumentierte, dass die soziale Mobilität in Deutschland zu den höchsten der westlichen Welt gehört. (Ihr müsst evt. selber mal recherchieren.) Dazu trägt das deutsche Schulwesen sicher nicht bei. Wie Lars, der Pisa in allen anderen Fragen nicht mag, feststellt, werden in keinem anderen Land Bildungschancen (oder mangelnde Chancen) im Schulwesen so vererbt wie in Deutschland.

Umgekehrt vererben sich in Dänemark berufliche Karrieren: Für Deutsche schwer vorstellbar ist, in welchem Ausmass sich die dänische Politikerklasse reproduziert und Politikerdynastien bestehen. (In der Landespolitik, wohlgemerkt.) Ähnliches gilt für Unternehmensleiter. Auch Ehegatten haben schon mal Karrieren, die man nicht anders erklären kann als mit Freundschaftsdiensten zwischen Leitern verschiedener Unternehmen.
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