micha_i_danmark hat geschrieben:das sagt sich so einfach, aber wie genau soll das aussehen? "Das Volk" neigt ja gerne zu radikalen Forderungen. "Kopf ab" / "alle ausweisen" / "die Grenzen dichtmachen" / "weg mit der EU".
Genauso sieht es aus aber das hat auch ganz klar seine Ursachen. Altkanzler Schmidt hat mal vor vielen Jahren sinngemäß gesagt, dass die Toleranz gegenüber Einwanderern nicht durch die Politik, sondern durch das Volk bestimmt wird. Und genauso ist es auch. Wenn ein Volk nicht weiß, warum eine Sache ist, wie sie ist, dann macht es sich seinen eigenen Reim daraus. Allerdings kann man da kaum dem Volk daran die Schuld geben, sondern eher der Regierung, die Beschlüsse fasst und nicht in der Lage ist oder nicht will, mit vernünftigen Argumenten darzulegen, warum sie diese Beschlüsse gefasst hat.
Der Großteil der Politiker in ganz Europa hat sich aber mittlerweile mit seiner Sprache und Argumentation so weit von der Sprache des Volkes entfernt, dass sie nicht nur nicht mehr verstanden werden, sondern man ist es leid, sich das ganze Gefasel, das eine extrem kurze Halbwertzeit hat, auch noch anzutun. Das scheinen aber viele Politiker gar nicht zu registrieren in ihrer eigenen Beweihräucherung, kaum dass sie einen Journalisten oder eine Kamera sehen.
Ich kenne noch Zeiten, als es fast ein Vergnügen war, die Debatten des Bundestages zu verfolgen, heute spart man sich die Übertragung der Debatten, hat sowieso keiner Lust, sich das anzutun. Leute wie Strauss, Wehner, Barzel, Brandt, Gentscher, Schmidt und wie sie alle hießen, waren noch Persönlichkeiten, denen das Volk zuhörte, die man verstand und die genau das taten, was sie sagten - und sie blieben auch dabei. Man musste nicht einig mit ihren Ansichten sein, aber es waren verlässliche Politiker, die das Land vorwärts brachten. Sie hatten alle noch Visionen, ein Ziel vor den Augen, das auch von der Bevölkerung verstanden und mitgetragen wurde. Das war in DK in dieser Zeit nicht anders. Wenn ich mich recht entsinne, gab es wohl kaum einen Politiker, der Politik studiert hatte, sondern es waren bodenständige Leute, die auch mal in ganz normalen Berufen arbeiteten, denen es bekannt war, wie das Volk denkt und redet.
Davon ist bei heutigen Politikern eigentlich nichts mehr zu merken. Kein Wunder also, wenn rechtspopulistische Parteien immer mehr Zuspruch finden, egal, was sie für dummes Zeug die von sich geben aber ein Teil der Bevölkerung kann sich mit diesen Politikern identifizieren und damit auch mit deren Aussagen. Wären heute in Österreich Wahlen, würde z.B. die FPÖ haushoch gewinnen und den Bundeskanzler stellen. Es wundert mich nicht. Vielleicht sollten sich die Herren studierte Berufspolitiker mal überlegen, warum das so ist. Statt dessen erklären sie ganz offen, dass sich die Zeiten geändert haben und alleine schon durch die enorme Medienpräsenz sei es notwendig, dass ein Politiker eine gewissen Ausbildung im "Politmanagement" hat. Aha, es geht also um die eigene Darstellung und Macht. Da kann ich nur sagen, macht weiter so und es dauert nicht mehr lange, da wird Europa der große Verlierer sein, zum einen weil die eigene Nabelschau daran hindert, mal über den Tellerrand zu schauen, zum anderen weil sich die Ansichten und die Sprache von Regierung und Regierten immer weiter voneinander entfernen. Die Lösung wäre natürlich frei nach Brecht, dass sich die europäischen Regierungen ein neues Volk wählen

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Hilsen Hina
"Alle Menschen haben das gleiche Recht zu denken, aber die wenigsten machen Gebrauch davon.“ Curt Goetz