mein Lebensgefährte und ich haben lange insgeheim und jetzt laut über einen Wechsel nach Dänemark nachgedacht. Mein Freund ist jetzt mit seinem Studium fertig und könnte dann als Arzt dort arbeiten. Im Augenblick gibt es für uns die glückliche Lage, daß Ärzte gesucht werden.
Aber ich bin das Problem. Ich bin gerade im 2. klinischen Semester, also 6. Fachsemester. Wisst ihr, wie in Dänemark das Studium aufgebaut ist? Gibt es dort ein Äquivalent zum PJ? Ich weiß nämlich nicht, ob ich in Deutschland das Studium beenden soll oder doch lieber in Dänemark. Vom Gefühl her, würde ich zwar lieber heute als morgen in Dänemark anfangen, aber ...
Ich habe schon im Forum ein wenig gesucht, aber noch nicht das Passende gefunden oder habe es übersehen. Ich würde mich freuen, wenn ihr Informationen für mich hättet.
Hallo,
ich werde im Februar anfangen Medizin zu studieren in Kopenhagen.
Wenn du in Dänemark dein Studium fortsetzen möchtest, fängst du sogesehen ein neues Studium an. Für bestandene Kurse wird man dir dann einiges gutschreiben. Rechne allerdings nicht fest damit, dass du im 7. Semester fortsetzen kannst. Ein entsprechendes Formular könnte [url=http://www.sund.ku.dk/studieInfo/blanketter/Fælles/Overflyt/AnsøgningOmOverflytning.PDF]so[/url] aussehen.
Der Studiengang ist etwas unterschiedlich auf den 3 Uni's, die Medizin anbieten (Århus, Odense, København). Unter dem folgenden Link findest du Informationen zum Studium in Kopenhagen. Jedes Semester ist [url=http://www.sund.ku.dk/studieInfo/Uddannelser/Med/Stud2000/Studiehåndbog/studiehåndbog%20med%2004-05.PDF]hier[/url] einzeln beschrieben mit einer generellen Zielsetzung und dem entsprechenden Lehrinhalt / Examina. Auf Seite 15 findest du eine Übersicht. Aus Ihr geht hervor, dass die ersten klinischen Inhalte im 3.-5. Semester gelehrt werden. Das 6.-9. Semester ist stark geprägt von klinischen Unterrichtselementen, und in den letzten 3 Semestern findet der Hauptteil des Unterrichts im Krankenhaus statt.
Nach beendigtem Med.Studium, tritt der dänische Med.Student den sogenannten 'Turnus'-Dienst an. Dieser ist z.Zt. leider noch 18 Monate lang, und teilt sich in 6 Mt. Medizin im Krankenhaus, 6 Mt. Chirurgie und 6 Mt. in Privatpraxis (unter Supervision eines All.prakt. Arztes).
Leider ist es in Dänemark derzeit enorm kompliziert und langwarig, eine Facharztausbildung in Angriff zu nehmen. Es gibt viel zu wenig Ausbildungsplätze, und so arbeiten die jungen dänischen Ärzte lange, bevor sie genügend Punkte gesammelt haben, um sich erfolgreich um einen Ausbildungsstelle bewerben können.
Diesen unschönen Umständen muss jedoch entgegengehalten werden, dass der dänische Jungarzt seine Zeit als Turnus-Kandidat und als 'Reserve-læge' vermutlich besser genießen kann, als sein deutscher Kollege. Überstunden zählen nicht in gleichem Umfang zum Standard. Die Vergütung ist glaube ich auch recht großzügig (ca. 21.500 kr/Mt. Grundlohn als Turnus-Kandidat + Pensionsgeld + Extras).
Im Übrigen arbeitet FADL daran, den Turnus auf 1 Jahr zu kürzen, und 'Sundhedsstyrelsen' möchte die Facharztausbildung auch reformieren. Hoffentlich noch bevor wir cand.med. heißen.
In diesem Sinne; viel Spaß beim Umzug nach Dänemark,
Jakob
Zuletzt geändert von hansano am 15.11.2005, 01:54, insgesamt 1-mal geändert.
vielen herzlichen Dank für die vielen Informationen. Ich werde mich da heute Abend mal "durchwurschtln". Ich habe aber mehr Parallelen in den Studiengängen entdeckt, als ich eigentlich dachte.
@hasano: Ich bin schon cand. med. In Deutschland ist das "Physikum", also die Prüfung vom Stud. med. zum Cand med. das schwierigste. Weißt du vielleicht noch, ob und wieviel Staatsexamina in Dänemark bestanden werden müssen? Ich wünsche dir viel Erfolg im Studium.
Noch einmal vielen herzlichen Dank für eure Hilfe.
Liebe Grüße, Anika
Hallo nochmal,
mit Hinblick auf Examen und Aufbau des Studiums unterscheidet sich das daenische Model grundlegend vom Deutschen.
Da Daenemark nur 3 Unis hat, auf denen Med.Stud. ausgebildet werden, gibt es keine Staatsexamina / Physikum, die ein einheitliches, nationales Niveau sichern sollen. Stattdessen sprechen die 3 Universitaeten untereinander ab, was gelehrt werden soll, und jeder ist ueberlassen, wie sie diese Anforderungen umsetzt.
Nach internationalem Vorbild ist die Ausbildung formal in 2 Teile geteilt: die ersten 6 Semester "Bachelor-Teil" und die letzten 6 Semester "Kandidat-Teil".
D.h. nach 6 erfolgreichen Semestern, hat der Student den Titel "Bachelor of Science of Medicin". Im Gegensatz zu den meisten anderen Ausbildung ist dieser Titel allerdings nicht viel wert. Der Med.Stud. meldet sich nun neu bei seiner Uni an, um fuer den "Kandidat-Teil" aufgenommen zu werden. Nun studiert er weitere 6 Semester, erhaelt den Titel cand.med., und muss danach, bevor er selbststaendig arbeiten darf, anderthalb Jahre Turnus-Dienst ableisten. Eine Doktorarbeit ist in Daenemark nicht ueblich.
So heisst der fertig ausgebildete Mediziner cand.med.
Es gibt an keiner der 3 Unis Moerderexamen. Stattdessen muss der Student nach praktisch jedem Semester eine gewisse Anzahl kleinerer Examen bestehen, um im darauffolgenden Semester fortsetzen zu koennen. So gibt es auf der Kopenhagener Universitaet insgesamt 23 Pruefungen, auf die 12 Semester verteilt, die von 30 Min. bis 6 Stunden lang sind. Hierunter auch Gruppenpruefungen, klinische Pruefungen, muendliche Pruefungen.
Hinzu kommen 2 groessere, schriftliche Projekte, die muendlich praesentiert werden.
MfG: Jakob
Zuletzt geändert von hansano am 15.11.2005, 01:54, insgesamt 1-mal geändert.
vielen herzlichen Dank für deine ausführliche Antwort. Du hastz mir schon sehr geholfen, aber auch meine Entscheidung erschwert. Am liebsten würde ich heute noch meine Koffer packen, aber große Teile des Studiums noch einmal machen zu müssen, lassen mich zögern. Kennst du das, wenn Herz und Verstand etwas anderes sagen?
Ich werde mir jetzt für eine Woche Gedanken über meine Zukunft in Rødby am Strand machen und "Lakrids-Flager" essen. Also noch einmal herzlichen Dank für deine Hilfe.
Liebe Grüße, Anika
P.S: Jedesmal wenn ich mein Posting gerade fertig habe, fällt mir doch noch eine Frage ein : Glaubst du, es gibt einen Bewerbervorteil für die Unis, wenn man eine abgeschlossene Doktorarbeit vorweisen kann?
Hallo nochmal.
Nun, ich weiß nichts Konkretes über das Wechseln der Uni wärend des Studiums. Eine deutsche Doktorarbeit wird von Akademikern in DK nicht als vollwertig angesehen, denn in Dänemark sagt man der Doktor-Titel ist die höchste akademische Auszeichnung, die man erlangen kann. Der Zeitaufwand beträgt glaube ich so 3 Jahre.
Ich kann allerdings mitteilen, dass einem an den dänischen Universitäten für durchgeführte Lehrinhalte sog. ECTS-Punkte gutgeschrieben werden. Das ist in Deutschland vermutlich genauso.
Demnach sollte es nicht so schwierig sein, nach Dänemark zu wechseln.
Weitere Informationen findest Du [url=http://europa.eu.int/comm/education/programmes/socrates/ects_en.html]hier.[/url]
nach einer Woche Erholung am Strand bei bestem Wetter bin ich wieder zurück im ebenso sonnigen Deutschland.
@ runesfar: Bestimmt bist du berühmt oder berüchtigt für deine langen Kommentare, oder? Der Wunsch in ein skandinavisches Land zu ziehen, war irgendwo schon länger vorhanden. In Deutschland sind die Arbeitsbedingungen für Ärzte nicht besonders gut, wie du vielleicht weißt. Seit meiner Kindheit fahre ich nach Skandinavien in Urlaub und irgendwann fängt man an sich heimisch zu fühlen. Einfach so, als wenn man sich verliebt hat...Für mich wäre auch Norwegen in Frage gekommen, aber mein Lebensgefährte hat sein Herz unwiederbringlich an Dänemark verloren.
@ hasano: Vielen Dank für deine ausführlichen Informationen. Ich habe die eine Woche Urlaub genutzt um mir darüber klar zu werden, wie es weitergehen soll. Deine Informationen haben mir sehr dabei geholfen. Ich werde in meinen nächsten Semesterferien zwei Monate Famulatur in einem dänischen Krankenhaus ableisten. Da kann ich dann feststellen, wie sprachsicher ich bin.
Ich bin gespannt, wie dir dein Studium gefällt. In Deutschland ist das Studium mit einer Menge Lernzeit und ganz wenig Freizeit verbunden (wird in Dänemark sicher nicht anders sein), dafür ist es wirklich interessant und spannend. Ich würde mich freuen, wenn du mir mal irgendwann schreiben würdest, wie es dir im Studium ergeht. Vielleicht kann dir "ein alter Hase" dann auch mal einen Tip geben.
So, ich hoffe, der Artikel ist nicht zu lang geworden.
Liebe Grüsse, Anika
Nika: Ich kann schon länger screiben, aber mein Deutsch ist halt zu schlecht um eiene ganze menge durche die Tasten laufen zu lassen.
Der grund für meine Frage: Ich war diese Sommer ein par Wochen zu besuch bei Norwegische Freunde - die waren beide ärtzte und die arbeitsbedingungen waren halt ziemlich gut. Deswegen.
Aber wenn du mit meine Land um eine Platz im Hertz von dein Liebchen kämpfen muss....was kann Mann dann machen.
ich finde du kannst sehr gut Deutsch schreiben. Meine Anspielung war nicht böse gemeint, ich hoffe, du verstehst das.
Ja, es ist nicht einfach mit einem Land zu konkurrieren, aber ich stelle mich der Herausforderung.
Lieb Grüsse, Anika
ja, das Studium ist wohl in DK ähnlich anstrengend. Ich bin mir dem bewusst, - hoffe dass ich es durchhalte !
Da hast Du doch mit der Famulatur einen schönen Kompromis gefunden. Falls Du später noch weitere Fragen hast, die ich evtl. beantworten kann, so will ich dies gerne tun.
Auf das Angebot deiner Beratung als 'alter Hase' komme ich bei Gelegenheit gerne zurück.
MfG Jakob
Hallo, es ist schön zu lesen, dass soviel Interesse am Studium in DK besteht. Was mich wundert, ist dass niemand vom Sprachtest schreibt, den man wenn man als normaler Student eingeschrieben sein will doch braucht (nicht bei Auslandssemester)?! Ich musste den Sprachtest bei Aufnahme des Studiums vorlegen, sonst wäre ich nicht reingekommen. Das ist aber auch ok., denn die Vorlesungen waren zu 95 % in Dänisch am Panum-Institut, wo eben auch Mediziner sind, naja ok. eher umgekehrt- vorrangig Mediziner...
Allen, die sich aufmachen wollen nach DK zum Studieren, kann ich nur empfehlen sich gründlich vorher zu erkundigen: Ein Zuckerschlecken wird es nicht. Ich habe soviel Stress erlebt, wie nie zuvor! In höherem Masse als in Deutschland wird nach curriculum unterrichtet, mit festgelegtem Pensum, ziemlich viel Unterricht, es wird eine Vorbereitung auf den Stoff zum Unterricht vorausgesetzt, d.h. oft das Lesen von langen Texten usw.
in Deutschland habe ich es so erlebt, dass man vorher kaum wusste, was in der jeweiligen Vorlesung passiert. In DK war alles bis aufs kleinste durchorganisiert, am Anfang des Semesters wurden die Lesepläne (oft auch in Kompendien) verteilt und dann hiess es, diesen Plan abzuackern. Das kann Vorteile haben, vielleicht ist das Studium auch effektiver. Für mich hat da die Freiheit gefehlt, z.B. einfach mal in ein anderes Fach reinzuschuppern. habe diese starke Eingebundenheit als Beschneidung der Kreativitat empfunden. Man ist so groggy, dass man kaum noch Zeit und Nerven für was anderes hat.
Nach mehreren Jahren Studium in Deutschland finde ich es Zeitverschwendung, hier noch mal praktisch von vorn anfangen zu müssen. Es stimmt, man kan in Deutschland absolvierte Fächer anerkannt kriegen, theoretisch, denn praktisch ist es selbst für Dänen schwer, die Fächer von einer Uni an die andere zu überführen (z.B. wenn man in Århus angefangen hat und Fåcher in Kph. anerkennen lassen möchte). Dann passt wieder irgendein kleines Detail nicht und schwups darf man das Fach nochmal machen. Auch Bafögtechnisch bin ich mir nicht sicher, ob es empfehlenswert ist, da man einige Semester verliert, ich kann mich nicht erinnern, ob man nach mehreren Jahren in D. noch ins Ausland wechseln darf.
Noch ein Tipp zur Bücherbeschaffung im Panum, da die Bücherpreise gewöhnungsbedürftig sind: Bibliothek ist klar aber am Anfang des Semesters gibt es auch einen Verkauf für gebrauchte Bücher, der wird in der Studentenzeitung MOK, die wöchentlich rauskommt, annonciert.
Essentiell ist auch die Teilnahme an einer læsegruppe, da kriegt man gleich Anschluss. Denn das Leben als Student kann auch verdammt einsam sein.
Beste Grüsse und poj-poj med det hele!!!
Anne
@wuff: Interessant, was Du so schreibst! Was studierst Du denn eigentlich?
An den Sprachtest hatte ich jetzt gar nicht gedacht...
Ich bin selber Abiturient vom dänischen Gymnasium in Flensburg (Duborg-Skolen), und habe somit ein Abi, welches in DK und in DE als anerkannt ist. Informationen zum Sprachtest für die Kopenhagener Uni gibt's [url=http://www.ku.dk/sa/optag/rules.html]hier[/url].
Mir war bekannt, dass Dänen im Ausbildungsbereich mittlerweile recht zielstrebig sind. Angenehm ist es natürlich nicht, die persönliche Kreativität in hohem Maße eingeschränkt zu bekommen. Unbefriedigend fände ich aber auch chaotische Zustände, wie sie nach meinem Eindruck an deutschen Unis herrschen.
MfG Jakob
Hallo,
es stimmt, chaotisch ist es nicht in DK. Als ganz grosses Plus habe ich empfunden, dass die Lehrer wirklich Zeit für einen haben. Ein sogenannter vejleder bekommt eine gewisse Anzahl Stunden, wo er den Projektgruppen Feedback geben kann und einfach wirklich helfen kann, den Stoff zu verstehen, eine schriftliche Arbeit zu vollbringen oder sich gewisse Methoden anzueignen. Soviel Zeit hat nie ein deutscher Prof mit mir verbracht. Ich habe übrigens "Public Health" studiert.
Grüsse v. Anne