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Sozialstaat läuft prächtig

Verfasst: 09.03.2007, 09:24
von Rørviger
Börse Online textet zwar:

Trotz Sozialstaat läuft es in Nordeuropa prächtig


Während ich eher postulieren und texten möchte:

WEGEN Sozialstaat läuft es in Nordeuropa prächtig

Nun, Børse Online schreibt SO weiter:

Trotz Sozialstaat läuft es in Nordeuropa prächtig
[08:30, 07.03.07]

Von Emmeran Eder

Die Wirtschaft in den skandinavischen Staaten Dänemark, Norwegen und Schweden läuft seit Jahren hervorragend. Anders als in Deutschland wurde dort frühzeitig viel Geld in das Bildungssystem investiert. Das zahlt sich inzwischen aus.
http://www.boerse-online.de/zertifikate/aktuell/488067.html

Der Rest des Artikels ist zwar durchsetzt von dem üblichen Börsianerquatsch, aber selten liest man sonst in Deutschland statements, die Solches Ketzerisches ablassen.

Sollen, sie doch gleich schreiben, dass LaFontaine recht hat. :P

Verfasst: 09.03.2007, 09:31
von Ursel
Hej Rörviger!
Mich nervt vor allem der Begriff "Sozialstaat", als ob die anderen Staaten nichts für ihre Büger tun.
Aber dieser Begriff führt inzwischen seit Jahrzehnten Menschen in die Irre, die glauben, dies bedeute, in Skandinavien sei das Paradies auf Erden.
Viele der Leistungen, die zu einem Sozialstaat gehören, gibt es auch in anderen Ländern.
Leider schaut niemand so richtig hinter die Kulissen, wenn er die (manchmal durchaus unbestrittenen) Vorzüge Skandinaviens hervorhebt!

Gruß Ursel, DK

Verfasst: 09.03.2007, 09:35
von semmel
Hej Ursel,
das stimmt aber auch für Deutschland. Hier wird doch alles gestrichen und abgebaut, was gut für den normalen Arbeiter ist. Einzig allein die mit viel Geld haben hier Vorzüge.

Wie es in den übrigen EU Ländern aussieht, weiß ich nicht. Ich rede hier nur von D.

Verfasst: 09.03.2007, 09:45
von Ursel
Nee, Torsten, auf diese Diskussion gehe ich nur insofern noch ein, daß es eben die Grundlagen eines Sozialstaates auch in Dtld. gibt:
Arbeitslosenversicherung
Sozialhilfe
Krankengeld
Kindergeld (und steuerliche Vorteile bei Kindern)
medizinische Versicherung
Rentneversicherung
etc.

das alles gibt hier wie in Dtld. und anderen Staaten - wieso sollte der Sozialstaat nun ausgerechnet in DK ein?
Liegt das an der Höhe der Beträge???
Dann hättensichdie skandinavischen Länder spätestens seit den 80er jahren (vor allem gemessen an Dtld.) kaum noch so nennen dürfen - jetzt ist es eben mal für andere Länder an der Zeit zu sparen.
Das ändert nichts an der Tatsache, daß die Systeme der westlichen Staaten das sind, was man landläufig unter Sozialsstaat versteht (ohne daß dies den bewohnern dort aufgegangen ist, weil eben das abstruse Biold vom skandinavischen Sozialstaat so überschattend wirkt).

Wir müssen doch nun wirklich nicht wieder in die Diskussion üer das arme Dtld. und das reiche DK --- vieles in der Versorgung ist hier besser, vieles war und ist in Dtld. besser - immer aber wird auf eine Weise versucht, den Staat für die Schwachen in die Verantwortung zu nehmen.


Gruß Ursel, DK

Verfasst: 09.03.2007, 10:01
von runesfar
Hier sind die Børsianer und die Grünen sich wahscheinlich einig. Heute hat der Grüne chef in SH eine Meinung. Laut Runesmor versucht er wohl ein stimmfang unter SSW-wählern:


http://www.taz.de/pt/2007/03/09/a0204.1/textdruck

Verfasst: 09.03.2007, 11:02
von pipeline
Hallo Torsten in Radisleben :wink:

Dass in Deutschland abgebaut wird, ist sicher fuer den, der drunter leiden muss, ein Kreuz. Leider aber unvermeidbar.
Mein Beispiel: Grossbritannien sieht "sich" eigentlich auch als Sozialstaat - immerhin muss ich fuer den Besuch beim Arzt nichts bezahlen - aber die Hoehe der z.B. Bezuege eines Arbeitslosen ("jobseekers benefit") belaeuft sich hier seit Jahren voellig unabhaengig von der Hoehe des letzten Gehaltes auf eine woechentlichen Festbetrag - vor ein paar Jahren lag der mal bei £54, das sind nach heutiger Umrechnung (die sich nicht sehr von damals unterscheidet) etwa 80 Euro. Kindergeldbetraege sind laecherlich. Aber weil sie bezahlt werden, ist es ein Sozialstaat. Obwohl unsereins das durchaus etwas anders kennt. Aber man gewoehnt sich an alles!

Was in skandinavischen Laendern offenbar der Unterschied ist, ist die Hoehe der Zuwendungen des Sozialstaates. Aber dafuer unterscheidet sich eben auch die Hoehe der Abgaben. Und es zahlt sich offensichtlich auch aus, WO die Gelder eingesetzt werden.
Und alles in allem denke ich, Skandinavien ist halt einfach mal "dran" :wink:

PS kannst du fuer mich mal nach Badeborn winken? (Was waren das noch Zeiten als Kinder, mit dem Fahrrad auf dem "Radislebener Feldweg" den Staub aufwirbeln! :D )

Verfasst: 09.03.2007, 16:35
von Rørviger
Ursel hat geschrieben:Hej Rörviger!
Mich nervt vor allem der Begriff "Sozialstaat", als ob die anderen Staaten nichts für ihre Büger tun.
Aber dieser Begriff führt inzwischen seit Jahrzehnten Menschen in die Irre, die glauben, dies bedeute, in Skandinavien sei das Paradies auf Erden.
Viele der Leistungen, die zu einem Sozialstaat gehören, gibt es auch in anderen Ländern.
Leider schaut niemand so richtig hinter die Kulissen, wenn er die (manchmal durchaus unbestrittenen) Vorzüge Skandinaviens hervorhebt!

Gruß Ursel, DK
jo, liebe Ursel, schon richtig. Auch Skandinavien ist natürlich nicht das Paradies auf Erden. Dieses, das Paradies, versprechen auch eher nur Glaubensinstitutionen. Ein Sozialstaat ist meineserachtens aber Was Konkretes für die Menschen, Was Greifbares, Was Verstehbares.

Ich schaue immer hinter Kulissen, überall, ich kann das garnicht lassen.

Apropos, Anders Fog Rasmussen, seineszeichens Staatsminister, schrieb, bevor es das (leider) wurde, mal ein Buch:

"Fra Socialstat til Minimalstat"

Ein ideologisches Werk, welches GENAU die Abschaffung des Sozialstaates propagierte und als ideologische Grundlage für einen Grossteil des jetzt real existierenden NeoLiberalismus in Europa diente.

Nur, AFR hat sich inzwischen offiziell von seinem eigenen Buch distanziert, weil er eingesehen hat, dass man den Sozialstaat nicht abschaffen kann und besonders nicht darf.

In Deutschland hingegen hat ironischerweise die Sozialdemokratie den Weg zum Fog'schen Minimalstaat rigoros beschritten, mit genau den verheerenden und katastrophalen Folgen, die wir Alle sehen (und viele hier im Forum leider auch fühlen) können.

Die von Dir angesprochenen "Leistungen" sind allenfalls in der BRD zu einer Farce verkommen, und zwar so, dass es in diesem Lande zu einem Kaufkraftverfall gekommen ist, der fast unüberwindbar erscheint.

Das hat LaFo ganz deutlich gesehen, da war er visionær.

Verfasst: 09.03.2007, 16:37
von Rørviger
pipeline hat geschrieben:Hallo Torsten in Radisleben :wink:

Dass in Deutschland abgebaut wird, ist sicher fuer den, der drunter leiden muss, ein Kreuz. Leider aber unvermeidbar.
Nö.

Da sind wir diametral uneinig. :wink:

Verfasst: 09.03.2007, 22:23
von pipeline
Nun, Rørviger, alternativ kann man natuerlich das Steuerniveau drastisch (und zwar drastischer als bisher) hochschnellen lassen. Da ist noch viiiiieeeeel Spielraum :wink:

Verfasst: 09.03.2007, 22:57
von Ursel
Hej Röviger!
und zwar so, dass es in diesem Lande zu einem Kaufkraftverfall gekommen ist, der fast unüberwindbar erscheint
ich sehe auch nicht ganz den Zusammenhang zwischen Kaufkrafterhöhung und Sozialstaat.
Vielleicht definieren wir unterschiedlich?
Sozialstaat soll, in meinem Empfinden - ich gehe da vom Wort aus - , seinen Bürgern auch ein Überleben sichern, wenn er, der Bürger, dies nicht mehr selber kann.
Sozialstaat soll, nach meinem Emfpinden, nicht die Kaufkraft des Bürgers stärken.

Logisch: Manches muß der Bürger kaufen, bezahlen, wenn er überleben will.
Aber wenn ich Sozialstaat als Beschützer der Kaufkraft definiere, geht mir doch einiges verloren!
Denn im Wort sozial steckt ebe, daß die Gemeinschaft für den Einzelnen sorgt, sofern dieser dazu nicht mehr in der Lage ist.

Und Sozialhilfe früher hat auch keeine großen Sprünge erlaubt, sondern war eine reine Überlebenshilfe - eine soziale Hilfe.

Wer in den 70ern/80ern die skanidinavischen Staatenals Sozialstaaten bezeichnet, ja nahezu glorifiziert hat, hat übersehen, daß schon damals viele Zuwendungen unter dem lagen, was es in anderen Ländern (die sich nicht so sehr mit diesem Begriff schmückten, sondern vielmehr neidisch auf die vermeintlichen Paradiese schauten) gab.

Und da sind wir eben wieder einmal beim Anspruchsdenken, aber das führt letztendlich ja zu weit von dem Ausgangspunkt dieses Threads fort!

Gute Nacht - Ursel, DK

Verfasst: 10.03.2007, 09:08
von Ralph
Ursel hat geschrieben: Sozialstaat soll, in meinem Empfinden - ich gehe da vom Wort aus - , seinen Bürgern auch ein Überleben sichern, wenn er, der Bürger, dies nicht mehr selber kann...
Daß ein Staat seine Bürger, die immerhin auch Teil des Staates sind, vor dem Verrecken bewahrt, macht ihn noch lange nicht zum Sozialstaat.
Das ist eher Selbstschutz, denn die Gesellschaft müßte doch wohl eher damit rechnen, daß die Leute, statt friedlich zu verhungern, die Paläste anzünden würde.
Nach wikipedia definiert sich der Begriff Sozialstaat auch so- Zitat:
Der Begriff Sozialstaat bezeichnet ein Gemeinwesen, das bestrebt ist, soziale Unterschiede – etwa materieller Natur – zwischen seinen Mitgliedern bis zu einem gewissen Grad auszugleichen, um die Teilhabe aller an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu gewährleisten.
Verfassungsrechtler benutzen daher auch den Begriff sozialer Rechtsstaat. Der Staat sollte die Lebensbedingungen der Bevölkerung in prinzipiell allen Bereichen unter Gesichtspunkten von sozialer Gerechtigkeit und Gemeinwohl gestalten.


Und wenn die sozialen Unterschiede, aus welchen Gründen auch immer, ständig größer werden, arm und reich sich immer weiter von einander entfernen, dann entfernt sich auch der Staat immer weiter davon, sozial zu sein.
Kaufkraft bedeuted nicht nur ein dickes Auto oder ein Häuschen im Grünen sondern auch, sich mal `ne Theaterkarte, ein Buch oder auch mal einen Ausflug leisten zu können. Letzteres geht bei Hartz 4 und auch bei real existierenden Hungerlöhnen von 5 oder 6€ nicht!

Gruß Ralph,
dem das sicher gleich wieder als "Jammern" ausgelegt wird... :roll:

Verfasst: 10.03.2007, 10:42
von Lars J. Helbo
Ralph hat geschrieben: Nach wikipedia definiert sich der Begriff Sozialstaat auch so- Zitat:
Der Begriff Sozialstaat bezeichnet ein Gemeinwesen, das bestrebt ist, soziale Unterschiede – etwa materieller Natur – zwischen seinen Mitgliedern bis zu einem gewissen Grad auszugleichen, um die Teilhabe aller an den gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen zu gewährleisten.
Beachte bitte die von mir jetzt rot gefärbte Passagen. Ob das immer gelingt ist eine ganz andere Sache.

Verfasst: 10.03.2007, 12:35
von Ralph
@ Lars

Die Qualität des Bestrebens und der Grad zu dem dieses von Erfolg gekrönt wird, ist m.E. zumindest kritikwürdig.

Schon klar, daß die Definitionen zum "Sozialstaat" je nach subjektiver Sicht stark variieren müssen.

Gruß Ralph

Verfasst: 10.03.2007, 12:42
von runesfar
Wir können von hier an diese Tema diskutieren bis die gebratene Hühner fliegen. Es ist wohl eine Frage der Religion.

Was Ich aber interessant finde, ist das die Skandinavische Länder in so viele Internationale Studien ganz vorne liegen.....obwohl die, laut der conventional wisdom, der ökonomen egentlich so ziemlich alles falsch machen.

Verfasst: 10.03.2007, 14:48
von Ursel
Hej!

Ralph - ich kann durchaus mit den von Dir gegebenen Definitionen des Sozialstaates leben. Das Streben nach einem Sozialstaat ist der Ausgangspunkt, sehr wahrscheinlich gibt es dann viele verschiedene iele bzw. auch Methoden, diese soziale Politik aufzufassen und durchzuführen.
Wie runesfar es nennt: "es ist eine Frage der Religion".


Der Schuß kann allerdings auch nach hinten losgehen,wenn z.B. - wie jetzt erst in den Nachrichten hierzulande zu hören - die Fachkräfte zuviel verdienen würden, wenn sie noch mehr arbeiten würden... in der Praxis:
Fachärzte arbeiten nicht mehr, weil es eine sog. Knækløngrænse gibt, über der hinaus sie (zu)hoch versteuert wären und zu wenig in der eigenen Tasche hätten.
Diese Grenze ist eben aus sozialen Gründen eingeführt - damit es zwischen den einzelnen Berufsgruppen / Bevölkerungsgruppen zwar Schlechter- und Besserverdienende gibt, aber keine allzu große = unsoziale Kluft.
Und tatsächlich verdient ja im Verhältnis zu seiner Ausbildung etc. eine Spitzenfachkraft weniger als ein Arbeiter hier.
Nur schießt sich das jetzt selbst ins Bein, weil - um auf´s Beispiel zurückzukommmen - Fachärztemangel herrscht und die Fachkräfte nicht mehr bereit sind zu leisten, weil sie es quasi nur noch für die Steuern täten.
Oder wenn Ärzte nichtmehr bereit sind,eine Facharztausbildung dranzuhängen, weil sie sich im Verdienst- und somit finanziellen Lebenstandard gar nicht oder nur minimal verbessern, im Verhältnis zu Dauer und "Opfern" der Ausbildung eben nicht nennenswert verbessern.

Und AUCH deshalb warten Krebspatienten zu lange auf schkudnige untersuchung, gibt es zuwenig Augenärzte etc.

Und auch so macht die Überschrift Sinn, die neulich "reißerisch" im Sonntagsblatt zu lesen war: "Kluge" machen einen Bogen um Skandinavien -- s.a. auch Thread dazu.

Und so ist es eben nicht sooo einfach, einen wirklichen Sozialstaat herbeizuschaffen.

Gruß Ursel, DK