Ist DK nur was für deutsche Handwerker und Hilfsarbeiter ?

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Ulli S

Ist DK nur was für deutsche Handwerker und Hilfsarbeiter ?

Beitrag von Ulli S »

Moin moin,
Ich bin in D seit 25 Jahren Bauzeichner –techniker und selbständig.
Nach dem Wegfall einiger existenzsichernder Langzeit-Aufträge habe ich die dänischen Jobbörsen wieder und wieder durchgeackert und reichlich Bewerbungen und cv`s auf dänisch per e-mail verschickt. Ich habe einige telefonate geführt. Bin in Aabenraa beim Jobcenter gewesen und habe mehrere potentielle Arbeitgeber heimgesucht. Bin freundlich aufgenommen worden, habe mit Chefs und Abteilungsleitern dänisch geschnackt, das war wirklich toll.
Ich habe mich auch auf diverse Hilfsjobs beworben, ich bin ja leider kein ausgebildeter Handwerker.
Um es vorweg zu nehmen, bisher kamen nur Absagen.
Was ich auch nicht verstehe, viele Firmen suchen „muligt hurtig“ Mitarbeiter und lassen sich dann unendlich viel Zeit…
Mittlerweile habe ich hier wieder (reichlich) Arbeit, aber es wäre doch schön gewesen…
Dänemark wird wohl (nur) mein Urlaubsland bleiben… :(
Gruß
Ulli
Urmel

Beitrag von Urmel »

Wenn ich mich recht erinner, hat Globel erst am Samstag eine Stellenanzeige für deinen Berufszweig in der Zeitung gehabt. Ruf doch dort mal an...
(red. gelöscht)

Beitrag von (red. gelöscht) »

Hallo,

vielleicht ist Dänemark ja das erste Land, welches gemerkt hat, das man nicht nur, als Beispiel, Maschinen für die Tapetenproduktion entwerfen muß, sondern auch Menschen haben sollte die diese Tapeten Tapezieren können.

Das man nicht nur mit dreihundert Sätze die Funktionsweise eines Atomkrafwerks dokumentieren kann, sondern auch Leute haben muß, die die entsprechenden Versorgungsleitungen verlegen können.

Wenn ich so in meinen Umfeld mal schaue, alles gebildete und weltoffene Kerle, nur unfähig mal nen Baum umzumachen, Reifen umzustecken, zu Tapezieren, Streichen, Bohren etc. etc.



lg
Vilmy
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Beitrag von Vilmy »

Hej,

das ist frustrierend, Ulli, aber in meiner Branche (Lehramt) fehlt uns auch Arbeitskraft in verschiedenen Fächern und können diese nicht bekommen. Arbeitskraftmangel ist alos nicht nur eine Frage von Handwerk oder Ungelernten.

Ein grosses Problem haben wir allerdings mit deutschen Bewerbern: die deutschen Bewerber können in der Regel nicht genug Dänisch; in unserer Branche muss man von ersten Arbeitstag an in allen Arbeitssituationen Dänisch sprechen. Deutsch oder Englisch sind bei uns keine Alternativesprachen.

Gruss, vilmy
Hvor du sætter din fod,
bli'r der spor af de drømme, du driver imod.
Ved de veje du finder,
vil man snart plukke minder.
Om du driver omkring eller står og slår rod,
bli'r der spor af din fod.
Sigurd Barrett
reimund1012

Beitrag von reimund1012 »

Moin Ulli,

sehen wir es doch mal objektiv:

Je höher die Qualifikation, desto schwerer ist es im Ausland beruflich Fuss zu fassen.
Das ist in deutschen Betrieben genauso wie in allen anderen Ländern der Erde.

Bei Handwerkern und Facharbeitern zählt in erster Linie die fachliche Kompetenz.
Da fragt auch hier in DE keiner großartig danach ob Du Deutscher, Pole, Russe oder Türke bist, Hauptsache die Arbeit wird ordentlich erledigt und Du kommst mit den Kollegen klar.
Je höher Du aber auf der innerbetrieblichen Leiter stehst, umso größer werden "Futterneid" und "Kompetenzdünkel".
Da haben es "Neue" immer ganz besonders schwer, besonders wenn sie dazu noch aus dem Ausland kommen.
Bei Dir kommt ja zudem noch "erschwerend" hinzu, dass Du ja als Selbständiger arbeitest, was dich in den Augen der Kollegen zu einem potenziellen "Streber" macht.

Ich denke mal die dänischen Arbeitgeber würden Dich liebend gern einstellen, befürchten aber gewisse Spannungen mit den etablierten, einheimischen Mitarbeitern.

Bei den "Hilfsjobs" spielen dagegen wohl andere Überlegungen eine Rolle.
Bei der anhaltenden guten Konjunktur in DK haben die Chefs wohl ernsthafte Zweifel einen hochqualifizierten Mitarbeiter auf Dauer in einem niedrig qualifizierten Job zu halten, sondern befürchten wohl eher das der "Neue" ihre Firma nur als Sprungbrett betrachtet um dann umgehend in einen besser bezahlten Job bei der Konkurrenz zu wechseln.

Tja, als Maurer, Zimmermann oder Arbeiter hat man wohl derzeit in DK eindeutig die besseren Chancen.
Zum Ausgleich dafür werden wohl DE demnächst Techniker und Ingenieure nur noch auf dem "Schwarzmarkt" zu bekommen sein. :wink:

Gruß

Reimund
Simba
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Beitrag von Simba »

vielleicht ist Dänemark ja das erste Land, welches gemerkt hat, das man nicht nur, als Beispiel, Maschinen für die Tapetenproduktion entwerfen muß, sondern auch Menschen haben sollte die diese Tapeten Tapezieren können.
Dänemark hat auch einen Akademikermangel. Aber wie schon gesagt, gerade in solchen Sparten ist die Sprache oft ein Muss.
Viele sind auch als Expatriierte hier. Ansonsten hilft nur, Sprache lernen und dann bewerben.
Wenn ich so in meinen Umfeld mal schaue, alles gebildete und weltoffene Kerle, nur unfähig mal nen Baum umzumachen, Reifen umzustecken, zu Tapezieren, Streichen, Bohren etc. etc
Ist das nicht genauso ein Vorurteil, wie dass, das Frauen keinen Nagel in die Wand bekommen? :roll:

LG Simba
(red. gelöscht)

Beitrag von (red. gelöscht) »

Hej Simba,


ich kenne mehr Frauen die mit Hammer und Nägel umgehen können als die "Kerle" die ich oben gemeint habe.

Vorurteile haben die Menschen ohne vergleichbares Wissen.

lg
Simba
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Beitrag von Simba »

Vorurteile haben die Menschen ohne vergleichbares Wissen
.

So gesehen hast Du recht. :wink:
Ich kenne halt einige, ich nenn das jetzt mal sehr unschön "Sesselpupser", die sogar Ihre Häuser zum grossen Teil selber gebaut haben. Deshalb fand ich das nicht so schön.

LG Simba
Ulli S

Beitrag von Ulli S »

reimund1012 hat geschrieben:Bei den "Hilfsjobs" spielen dagegen wohl andere Überlegungen eine Rolle.
Bei der anhaltenden guten Konjunktur in DK haben die Chefs wohl ernsthafte Zweifel einen hochqualifizierten Mitarbeiter auf Dauer in einem niedrig qualifizierten Job zu halten, sondern befürchten wohl eher das der "Neue" ihre Firma nur als Sprungbrett betrachtet um dann umgehend in einen besser bezahlten Job bei der Konkurrenz zu wechseln.
Ertappt... :wink:
Da mein Beruf gleichzeitig mein großes Hobby ist, würde ich bei der erstbesten Gelegenheit von einem Hilfsjob in meinen oder zumindest artverwandten Beruf wechseln.
Gruß
Ulli
Pelzi
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Beitrag von Pelzi »

reimund1012 hat geschrieben:Je höher Du aber auf der innerbetrieblichen Leiter stehst, umso größer werden "Futterneid" und "Kompetenzdünkel".
Da haben es "Neue" immer ganz besonders schwer, besonders wenn sie dazu noch aus dem Ausland kommen.

Ich denke mal die dänischen Arbeitgeber würden Dich liebend gern einstellen, befürchten aber gewisse Spannungen mit den etablierten, einheimischen Mitarbeitern.
Hej,

kann mich vielleicht bitte jemand aufklären, wie das mit der "gehobenen" Qualifikation in größeren Betrieben ist? Braucht man einen zertifizierten Abschluß (z.B. Diplom) oder regelt sich das durch Fachkompetenz und Arbeitsjahre? Oder durch Beziehungen?

Ich beobachte z.B. in einer größeren Firma, daß gerade diese Jobs, wie Ulli sie macht, von Leuten besetzt sind, die da eigentlich nicht hingehören. 95% der Fehler, die dort auftreten, kommen aus dem Büro :shock:
In kleineren Firmen habe ich so etwas in diesem Umfang noch nicht erlebt. Vielleicht, weil die Leute dort näher "an der Basis" sind?

Viele Grüße
Iris
Humor ist der Knopf, der verhindert, daß einem der Kragen platzt.
Joachim Ringelnatz
Ulli S

Beitrag von Ulli S »

Hej Iris,
ja in D werden die gehobenen Stellen gerne mit jungen "Studierten" besetzt. Die haben zwar einen breiteren Background, aber keine oder wenig Erfahrung.
In DK gehen die Vorstellungen eher in Richtung Erfahrung. Schulbildung ist da nicht so wichtig.
Z.B. hat Lidl in Kolding einen Projektleiter (!) gesucht. Die haben mich als "popligen" Bauzeichner 2 x eingeladen. In D wäre da unter einem Dipl.-Ing. nix gelaufen.
Jetzt, wo ich in D wieder genug Arbeit habe, kommt eine Einladung zum Gespräch nach Skærbek. Da werde ich natürlich( :wink: ) hinfahren.
Hils
Ulli
Ursel
Mitglied
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Registriert: 22.02.2002, 11:23

Beitrag von Ursel »

Hej Ulli!

naja, das ist vielleicht relativ.
ich denke bei Deiner Erfahrung über 2 Dinge nach:

1. glaube ich nicht, daß Schulbildung in DK nichts zählt - im Gegenteil: Man bildet gern und viel aus, es DK hat das teuerste Schulwesen innerhalb der EU und die Leute werden fortgeschult, weitergeschult, umgeschult etc.
Gefragt ist Wissen durchaus - und das kann man sich im Laufe der Jahre natürlich durchaus auch durch praktische Erfahrungen aneignen, d.h., da schaut man bei einem 50-J. natürlich nichtur auf seine Zeugnisse von anno tobak, sondern auch auf die Weiterenticklungund Fortbildung ... entweder schulisch oder praktisch im Beruf.

Ungelernte Kräfte ohne Schulabschluß und jegliche Ausbildung haben es auch in DK schwer!

Und da, wo jetzt aufgrund von Arbeitskräftemangel ausgebildete kräfte für eine Berufsrichtung fehlen, nimmt man eben auch diejenigen, die einen Beruf in derselben Richtung und durch praktische Arbeit auch Erfahrung gewonnen haben.
das sind die Kompromisse, die auch die Wirtschaftslage fordert.
So wie umgekehrt bei einer Überzahl von Bewerbern die Firmenchefs plötzlich die Anforderungen hochschrauben und Abitur für Berufe verlangen, wo man sich manchmal fragt, wieso das nun plötzlich nötig ist.

Gruß Ursel, DK
""Den virkelige opdagelsesrejse går ikke ud på at finde nye lande,
men at se med nye øjne."

---------------------------------------------------------Marcel Proust
...
udo66

Beitrag von udo66 »

@Toschi:
Hallo,

vielleicht ist Dänemark ja das erste Land, welches gemerkt hat, das man nicht nur, als Beispiel, Maschinen für die Tapetenproduktion entwerfen muß, sondern auch Menschen haben sollte die diese Tapeten Tapezieren können.


Genau! Daenemark ist bestimmt das einzige Land was etwas merkt.

Das man nicht nur mit dreihundert Sätze die Funktionsweise eines Atomkrafwerks dokumentieren kann, sondern auch Leute haben muß, die die entsprechenden Versorgungsleitungen verlegen können.

Das stimmt!

Wenn ich so in meinen Umfeld mal schaue, alles gebildete und weltoffene Kerle, nur unfähig mal nen Baum umzumachen, Reifen umzustecken, zu Tapezieren, Streichen, Bohren etc. etc. Stimmt: Bildung und Kraft einen Baum umzuhauen, widersprechen sich von Natur aus - wer nicht den Blaumann anhat, kann keinen Baum umfaellen, Tapezieren und und und.


Voller Mitgefuehl fuer Leute, die was gelernt haben oder zufaellig studiert
haben
D.
reimund1012

Beitrag von reimund1012 »

Hej,
Dackelwurm hat geschrieben:Stimmt: Bildung und Kraft einen Baum umzuhauen, widersprechen sich von Natur aus - wer nicht den Blaumann anhat, kann keinen Baum umfaellen, Tapezieren und und und.
Ich nehme mal an das soll ironisch gemeint sein, oder etwa nicht. :wink:

Dieser These nach müsste ich nämlich als "Sesselpupser" eigentlich zwei linke Hände mit 10 Daumen haben und beim Anheben eines Aktendeckels sofort ins Schwitzen kommen. :wink:

Augenzwinkernde Grüße

Reimund
(der so gar nicht in das Klischee eines "Schreibtischtäters" passen will)
Ulli S

Beitrag von Ulli S »

Ursel hat geschrieben:Gefragt ist Wissen durchaus - und das kann man sich im Laufe der Jahre natürlich durchaus auch durch praktische Erfahrungen aneignen, d.h., da schaut man bei einem 50-J. natürlich nichtur auf seine Zeugnisse von anno tobak, sondern auch auf die Weiterenticklungund Fortbildung ... entweder schulisch oder praktisch im Beruf.
@ Ursel,
genau das habe ich gemeint mit "Schulbildung ist nicht so wichtig".
Aber es wird in DK halt nicht immer stur nach einem Ingenieur gesucht, wenn`s auch ein Techniker mit entsprechender Erfahrung tut.
Das ist in D eben anders.

Hils
Ulli
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