Es ist nicht alles Gold, was glänzt...

Sonstiges. Dänemarkbezogene Themen, die in keine andere Kategorie passen.
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Engel 81
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Es ist nicht alles Gold, was glänzt...

Beitrag von Engel 81 »

Guten Morgen...

in der langen Diskussion um das dänische Gesundheitssystem habe ich die Meinung vertreten, dass auch unser deutsches System in Wirklichkeit viele Fehler aufweist, für viele, die nicht direkt damit in Berührung kommen, vielleicht nicht nachvollziehbar.Ich musste mich dafür kritisieren lassen, ich hätte die rosarote Brille auf...

Der Spiegel hat einen Artikel veröffentlicht, der den Zustand der deutschen Krankenhäuser beschreibt...

http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,578585,00.html

Lg der Engel
Netsrik

Beitrag von Netsrik »

... stimmt, in der Realität sieht alles anders aus.

Überbelastung durch Schichtdienst, Notdienste, Personalmangel, erweiterte Bürokratie , Hierarchien und Profitgier sind an der Tagesordnung.
Der Leistungsdruck ist enorm und wo Druck herrscht, entstehen auch Fehler.
Darunter leidet nicht nur der Pat. sondern auch das Personal. Burn out ist sehr verbreitet.
Nicht umsonst geht das Med. Pers. auf die Straße zum Streiken. Solange sich nichts ändert, wird alles noch viel schlimmer werden.

Auf der Strecke bleibt der Mensch in Form von Pat. und Personal.

LG Kirsten
Sollys
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Beitrag von Sollys »

Da stimme ich dir zu.
Ich glaube das ist auch kein auf Deutschland oder Dänemark beschränktes Problem, sondern ein weltweites.
Netsrik

Beitrag von Netsrik »

@ sollys

... genau weltweit...

Es muß alles immer schneller gehen. Dies ist ein Problem der Zivilisierten Gesellschaft unabhängig vom Land.

Die Ansprüche sind gestiegen und steigen rasant an, der einzelnde Mensch wird derart durch Leistung unter Druck gestellt und dadurch entstehen dann Fehler, Angst und Mobbing - fatal ist das natürlich, wenn das Leben der Menschen davon abhängt.

Wer weiß, wie das noch alles enden wird...


Gruß
udo66

Beitrag von udo66 »

Netsrik hat geschrieben:@ sollys

... genau weltweit...

Es muß alles immer schneller gehen. Dies ist ein Problem der Zivilisierten Gesellschaft unabhängig vom Land.

Die Ansprüche sind gestiegen und steigen rasant an, der einzelnde Mensch wird derart durch Leistung unter Druck gestellt und dadurch entstehen dann Fehler, Angst und Mobbing - fatal ist das natürlich, wenn das Leben der Menschen davon abhängt.

Wer weiß, wie das noch alles enden wird...
Gruß
Unter anderem bei dem Modell von McDonalds!
(Spiegel Online, Soziologie Professor in der Vorlesung)

Medizin wird immer effektiver gemacht - besonders die Krankenhausmedizinische Behandlung.
Fabrikation wie am Fliessband (Charlie Chaplin hat da doch einen Film mit einem verzweifeltem Arbeiter, bei dem sich das Fliessband immer schneller bewegt) ist auch ein Modell was weit verbreitet ist - Standards werden entwickelt (gut) aber eben nur noch begrenzte Zeit fuer jeden Patienten und eine zweigeleisige Entwicklung: Privat und Oeffentliche Gesundheitsversorgung.

Bis jetzt muss ich sagen hoert man aber auch nur die Sachen - wo man den Hintergrund nicht kennt und so wirkt als ob der Patient immer das Opfer sei.
Ich kenne meine 2 Faelle, einmal wo mein Cousin (schwere Laehmung!) eine BandscheibenOP abwehrte und die nun den armen Hausarzt belangen (mehr als ueberreden konnte er nicht) - und meinen Bruder (Glueck gehabt: ist operiert worden mit gutem Erfolg) , bei dem einfach uebersehen wurde, das eine sofortige Bandscheiben OP notwendig war, Journal verschwunden, derArzt war aufeinmal in verreist.

Ich glaube, Vieles kann man nicht mehr Effektivisieren oder Modernisieren, es gibt auch hier in DK einiges an Milchmaedchen rechnungen - es wird aber gefeilt daran, dieses System so gut wie moeglich (Geld, Personal und Leitung) fahrbar zu halten.

Ein anderes gibt es nicht - es gibt aber immer wieder tragische Einzelfaelle und "Unfaelle" die vermeidbar gewesen waeren (Falsches Bein (nicht markiert/falsch markiert), Operateur wechselt!, verkehrter Name, richtiger Name aber verkehrer Patient, vorgegaukelte Kompetenz bei Angst vor Arbeitsplatzverlust, falsche Medizin, zuviel Medizin, verkehrte Medizin und auch Krankenhaussinfektionen).

Genauso wie ich es sehe, dass es falsche und richtige Compliance gibt: Befolgung der Einnahme von Tabletten (Medizin) kann man sehen: 30/30/30
30 befolgen es, 30 so naja, 30 ne, wird eigenstaendig abgesetzt (Antibiotika!)
Pharmafirmen wollen auch verdienen, die verkaufen halt keine Fahrraeder sondern Medizin Produkte (stecken auch einiges in die Forschung, bekaempfen sich auch gegenseitig und haben zeifelhafte Statistik mehtoden und Werbung).

Geld wird auch immer wichtiger (wie fuer alle auch): Unnoetige Behandlungen weglassen und Prevaention vermeiden, dass Geld rausgeblasen wird.

Personalmangel zur Zeit in DK ist wohl der wichtigste Faktor und deren Bezahlung (Private holen enorm auf, wobei die aber kein Personal ausbilden, sondern fein absahnen mit 30 % mehr Lohn).


Aber im Ganzen kann ich sagen aus meiner Erfahrung, dass es klappt!
Bei praktizierenden Aerzten ist wenig Zeit da fuer Gespraeche - in DK wird gesetzt auf Akutbehandlung, die aber gut ist.

Sicherlich ist es aber von Arzt zu Arzt unterschiedlich - wenn man meint sich schlecht behandelt zu fuehlen, den Arzt wechseln!
Und bei Unstimmigkeiten sofort nachfragen und echt auf den Kern des Problemes draengen.

Das ist kein Tabu und fuehrt sicherlich zu mehr Zufriedenheit.
Den Rest kann ich auch nicht aendern - man kann aber dieses System hinterfragen, duerfte nur gut sein.






:wink:
Netsrik

Beitrag von Netsrik »

@ Udo

... genau so sieht es aus.

Standards, Pflegeplanungen, Medizinische/Pflegerische Berichte, Vorschriften , Teambesprechungen, Bürokratie usw. das alles auch verdoppelt und verdreifacht auf PC- ist ja wirklich gut und schön. Die persönliche Behandlung/Pflege der Pat. wird, wie du schon sagst, begrenzt. Einem Mediziner stehen max. 8 Min. Sprechstunde für den Pat. zu.

Die Stundenarbeitszahl bleibt die gleiche,der Mehraufwand hat sich dadurch aber auch vielfach durch die ganze Bürokratie erhöht. Zu schaffen ist der ganze Arbeitsaufwand nicht - und dadurch entstehen Fehler, das ist fatal für den Pat. wie fürs Pers.

Den Film mit Charlie Chaplin kenne ich, ist sehr gut getroffen, schon damals machte man sich Gedanken, wie unsere Zukunft heute aussieht. :roll:

Gruß Kirsten
Sollys
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Beitrag von Sollys »

Bei den Ärzten ist es sowohl in Dänemark als auch in Deutschland in letzter Zeit so wie bei den Baumärkten.

Wenn man weiss was man will, bekommt man das Material zu einem günstigen Preis, gezielte zeitaufwändige Beratung war einmal.

Wenn man zum Arzt geht und die Diagnose selbst schon gestellt hat, hat man gute Chancen die richtige Medizin verschrieben zu bekommen, kennt man die Diagnose noch nicht, na dann gute Nacht....... :oops: :( :oops:
udo66

Beitrag von udo66 »

Na so ganz duester sieht es nicht aus - ne Menge sygepleierske machen ja schon Diabetesberatung und es gibt die Bluthochdruckerfassung.
Labor vereinfacht einiges - wenn es keine Entzuendung im Koerper gibt dann stimmt auch das Labor.
Es wird vacciniert und auch gezielt untersucht - nur gibt es nicht mehr das
lange Gespraech - es wird oft nur noch "angerissen" im Gespraech und der soziale Gesichtspunkt muss oft vernachlaessigt werden.
Alles Akute bis weiter wird immer noch sehrgut behandelt.

So isss...mal sehen was die Zukunft bringt.
mvh
Udo

Hab gerade noch einen Augenpatienten nach Odense geschickt mit Blaulicht , Verdacht auf Netzhautabloesung nach Schlag (linksseitiger GEsichtsausfall des liinken Auge).
Es laesst sich ne Menge noch arrangieren.

Das schlimme sind eher die Wartezeiten bei chronischen Krankheiten.
Netsrik

Beitrag von Netsrik »

@ udo

... hoffendlich geht es Deinem Pat. wieder besser und es ist nicht zum schlimmsten gekommen...

Gruß Kirsten
MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Bei solchen Diskussionen stört mich immer, dass sie sehr schnell den Blickwinkel von Ärzten einnehmen, ja scheinbar von Ärzten übernommen werden. Diese treibt offenbar das Gefühl, dass nur sie solchem Effektivitätsdruck ausgeliefert sind, dass nur sie das Problem hätten, sich ihren Aufgaben nicht seriös widwen zu können. Ich glaube aber, es liegt eher ein Aufschliessen im Gesundheitswesen vor. Es hat lange gebraucht, erst heute ist der Effektivitätsdruck auf Ärzte ähnlich dem auf andere Akademiker mit ähnlichen Löhnen in der freien Wirtschaft, jedenfalls in Deutschland. (In Dänemark scheinen mir noch immer erheblich Produktivitätsreserven vorzuliegen.)

Mir fällt auf, dass es mit Prozessverbesserungen generell nicht so gut zu klappen scheint in Krankenhäusern und im Gesundheitswesen generell. Als Nutzer jedenfalls füllt man immer wieder die gleichen Formulare aus, Proben müssen wiederholt werden, Umkleideprozesse sind nicht optimiert und verursachen Zwangspausen usw. Pech für die Ärzte ist, dass geeignete Aufgaben nicht einfach an anderes, billigeres Personal weitergereicht werden kann, weil dem Verordnungen u.ä. entgegenstehen. Wenn ich Ärztelobbyist wäre, würde ich eher hier Änderungen erstreben - da sind mehr Perspektiven als mit Forderungen nach mehr Zeit/Ärzten.

Der Wert 8 Minuten sagt gar nichts. Das ist so wie zu berechnen, Verkäufern stehen maximal 3 Minuten pro Kunden zur Verfügung.
Netsrik

Beitrag von Netsrik »

(... sicher... das mit dem Blickwinkel, das macht jeder mit seiner Berufssparte. Das Medizinische Pers. ist auch einem besonderen Druck ausgeliefert. Und ein Fehler ...)


Der Standort besagt aber auch schon einiges aus.

Im KH sind die Aufgaben schon einigermaßen verteilt. Kommt auch auf`s Personal an. Wenn Not am Mann/Frau ist, das Team gut aufeinander eingestellt ist, übernimmt jeder auch mal gerne die Pflichten anderer oder leistet zumindest Hilfestellung.

Anders sieht es bei den Arztpraxen aus. In der Stadt wie auf dem Land gibt es auch gravierende Unterschiede. Da die Stadt zentraler gelegen ist, hat man auch mehr Ersatz bei FO und Öffnungszeiten.

Auf dem Land sieht es da schon schlechter aus. In einigen sehr ländlichen Praxen, macht der Arzt schon mal alles und hilft auch bei Hausb. in anderen Dingen. Auch wenn der Notdienst an bestimmten Tagen ist, bekommt man trotzdem Notanrufe von den eigenen Pat.

Freizeit is dort auch kaum vorhanden, deshalb auch der Wegzug oder Ärztemangel .

Und mit dem Gesundheitswesen ist das sowieso ein heikeles Thema.

Und deshalb auch die Unzufriedenheit, weil weniger Zeit für den Pat. und immer mehr Bürokratie vorhanden ist.

Dieses ist aber nicht mit anderen Akademikern zu vergleichen, da die Medizin doch sehr umfangreich ist und noch etwas menschlich bleiben soll.

Jeder der sich momentan gesund fühlt, kann im nächsten Moment zum Patienten werden und dort möche man auch die bestmöglichste Behandlung, Versorgung, Pflege und Verständnis.
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