Auswandern hat immer zwei Seiten...

Fragen und Tipps: Bürokratie, dänisches Recht, usw.
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Wenn ich die hier vorgetragene Ängste lese, dann frage ich mich doch, ob man in D immer noch nicht verstanden hat, daß wir in eine globalisierte Welt leben?

Warum ist es schlimm, daß die Arbeitnehmer dort hin gehen, wo sie die besten Chancen sehen? Was ist daran schlimm, daß die Kunden immer die besten und billigsten Angebote suchen? Und was ist daran schlimm, daß die Produktion dort hin verlegt wird, wo sie am günstigsten durchgeführt werden kann?

Insgesamt bedeutet dies doch nur, daß wir alle mehr Wohlstand bekommen.
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tømrermester
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Beitrag von tømrermester »

Lars J. Helbo hat geschrieben:Wenn ich die hier vorgetragene Ängste lese, dann frage ich mich doch, ob man in D immer noch nicht verstanden hat, daß wir in eine globalisierte Welt leben?

Warum ist es schlimm, daß die Arbeitnehmer dort hin gehen, wo sie die besten Chancen sehen? Was ist daran schlimm, daß die Kunden immer die besten und billigsten Angebote suchen? Und was ist daran schlimm, daß die Produktion dort hin verlegt wird, wo sie am günstigsten durchgeführt werden kann?

Insgesamt bedeutet dies doch nur, daß wir alle mehr Wohlstand bekommen.
gerade deutsche firmen haben verstanden, dass wir eine globalisierte welt haben. immer mehr firmen verlegen ihre firmen und produktion ins ausland (und bestimmt nicht nach dänemark). das ist aber kein vorteil für die deutschen arbeitnehmer. ganz im gegenteil! höhere arbeitslosigkeit ist die konsequenz und dadurch leidet z.b. das handwerk. der grösste teil der deutschen einwanderer nach dänemark sind handwerker!

so langsam schwächt sich jetzt der wohnmarkt (boligmarked) in dk aber ab und die deutsche regierung wird jetzt beschliessen die firmensteuer drastisch zu senken, so das deutsche firmen konkurrenzfähiger werden. ich denke, dass dänemark in 5-10 jahren nicht mehr das land der handwerklichen glückseeligkeit für deutsche handwerker sein wird.

dänemark ist ein ausgesprochenes discountland! hier wird eher preis vor leistung gewünscht. hatte ich ursprünglich (vor 6 jahren) nicht gedacht. ist aber so! aber man bekommt die qualität wofür man bezahlt. am besten und gleichzeitig am billigsten gibt es nicht!

das problem die Produktion dorthin zu verlegen, wo sie am günstigsten durchgeführt werden kann, ist der transport. gerade jetzt wird der co2 ausstoss heftig diskutiert. die anzahl der lastwagen auf den dänischen und deutschen strassen hat sich vervielfacht und die arbeitnehmer haben eine längere fahrt zur arbeit.

globalisierung bedeutet also für beispielsweise deutschland: höhere arbeitslosigkeit /auswanderung und extreme vervielfachung der verpesteten luft, da der meiste transport immer durch deutschland führt, da es mitten in europa liegt.

ein teufelskreis! und von wohlstand kann keine rede sein!
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

Ich kann mir gut vorstellen, daß man als deutscher Handwerker DK als Discountland empfindet. In DK baut man ein Haus um darin zu wohnen. In D erwirbt man eine Immobilie um ihn an die Kinder zu vererben. In DK wird nicht wie in D für die Ewigkeit gebaut.

Das Erbegnis ist allerdings auch bezahlbare Einfamilienhäuser für ein weit größere Teil der Befölkerung, und in DK muß man nicht an sein ein mal erworbenes Haus kleben bleiben, wenn man woanders ein Job bekommt, oder wenn es viel zu groß ist, weil die Kinder ausgezogen sind.

Es erinnert mich auch an ein Bericht eines Handwerkers. Das war vor 15 Jahren, als die Handwerker in die andere Richtung fuhr. Ein Handwerker hier in DK hat mir berichtet, warum es so schön war in D zu arbeiten. Wenn er dort, ein Job angeboten bekam, hat er einfach sein normaler Preiskalkulation gemacht. Wenn alles fertig war, hat er dann den errechneten Preis mit 2 multipliziert. Damit war sein Angebot immer noch günstig verglichen mit der deutsche Konkurrenz.

Das mit der CO2 ist natürlich ein Faktor (und vor allem im Moment sehr in Mode), man sollte es aber nicht überbewerten:

http://www.berlingske.dk/viden/artikel:aid=871326
http://www.berlingske.dk/indland/artikel:aid=873904

Außerdem geht der Transport ja immer als ein Kostenfaktor mit in der Kalkulation rein. Dann geht es ja nur darum, dies auf eine realistische grundlage zu stellen.

Natürlich kann die Globalisierung lokal negative Folgen haben - insbesondere, wenn man die Sache mit der hier oft besprochene deutsche Schwarzseherei angeht. Die Sache sollte aber objektiv und vor allem global gesehen werden.

Man kan Arbeitsplatsverlust, Verlegung von Produktion, Abwandern von Menschen bedauern. Diese Folgen gibt es aber genau so in DK - hier wird nur nicht gejammert. Man kann sich nämlich auch einfach freuen, daß schlecht bezahlte (weil nicht wettbewerbsfähige) Jobs verschwinden. Freuen kann man sich insbesondere, wenn dadurch auch noch neue Jobs in Polen oder Litauen geschaffen werden (die Menschen dort wollen nämlich auch gerne Geld verdienen) und gleichzeitig die Wettbewerbsfähigkeit unsere Firmen gestärkt werden (Musterbeispiel: Lego). Genau so kann man sich darüber freuen, daß junge Menschen in die Welt reisen und Erfahrungen sammeln. (Ich halte die Wanderschaft für eine sehr wichtige Einrichtung.)

Ich frage mich auch, wo die Alternative wäre? La Fontaines Besinnung auf die (DDR-)Vergangenheit kann doch keine Perspektive sein. Wir können uns doch nicht von der Außenwelt abschotten (mit Importbegrenzungen und Behinderung der Migration) nur um marode Betriebe und deren Arbeitsplätze im Inland zu sichern. Wo das endet, haben wir doch ein mal gesehen, reicht das nicht?
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tømrermester
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Beitrag von tømrermester »

ich verhandele seit 6 jahren fenster und türen in dänemark und habe an unzähligen messen in dänemark teilgenommen. bei den guten kontakt zu den anderen ausstellern wurde mir immer wieder gesagt, dass es "schlimmer und schlimmer" wird mit den dänischen qualitetsansprüchen. billig billig billig! und die aussteller reagieren deshalb mit billigprodukten ohne die gewohnte qualität. das hat mit deutschen handwerkern nichts zu tun. wie häufig habe ich schon fenster ausgetauscht die keine 10 jahre alt sind??!! das kann es ja wohl nicht sein, aber diese kunden sind schlauer geworden 8) ! in übrigen lässt die dänische zahlungsmoral auch sehr zu wünschen übrig. erst billig erwerben und bei lieferung nicht bezahlen. das ist leider in deutschland genauso!

das häuser in dk billiger sind als in d stimmt mittlerweile auch nicht mehr. die grosse nachfrage nach eigentum hat die hauspreise merklich hochgetrieben. in d ist der gegenteil der fall.

das mit den dänischen handwerkern vor 15 jahren in d stimmt und ich denke, dass die zeit auch wieder kommt, wo dänen nach deutschland wandern um zu arbeiten. viel zu viele handwerker machen sich hier selbständig um ein stück vom kuchen abzukriegen, aber irgendwann ist nicht mehr genug da und was dann?

wieso und weshalb die erderwärmung erhöht ist, weiss ich nicht. das überlasse ich den uneinigen forschern, aber ich sehe tagtäglich, dass viel mehr fahrzeuge auf den deutschen und dänischen strassen fahren als noch vor 5 jahren. dass das nicht gut sein kann für die umwelt, kann selbst ich als nichtspezialist erkennen. und es ist mir egal, ob der warenpreis der gleiche ist wie vor der globalisierung. dreck ist dreck und es ist mir wichtig eine so gesunde umwelt zu halten wie möglich. ich denke lokal und nicht global!

dass junge leute reisen ist normal und wünschenswert. aber ich hoffe wie werner, dass sie irgendwann wieder zurückkommen. meine tochter ist für ein jahr in new zealand und ihr gefällt es super. bin mal gespannt ob sie wiederkommt :(

klaus
snedker
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Beitrag von snedker »

Das mit dem Billig Billig haben wir hier in D auch ( noch ),aber der Trend geht wieder in richtung Qualität. Da gibt man für eine Innenraumtür anstatt für eine 0815 nicht komplett mit Zarge 150 € aus ,sondern gerne auch mal 500 € oder mehr aus. Bei einem Neubau wo Kinder mit im spiel sind nimmt man natürlich ein billige variante. Bei der Renovation eben die gute Variante.
Geiz ist nicht geil.
Simba
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Beitrag von Simba »

Man kann die Sache mit der Qualität übrigens auch von zwei Seiten sehen.
In D legt man in der Regel viel Wert auf Qualität. Allein die Häuser in D, da hab ich nur selten im Ausland mal was vergleichbares gesehen. Für den Verbraucher ist es natürlich auch schon, wenn alles dann auch lange hält.
Aber für die Wirtschaft? In den USA gilt Quantität vor Qualtiät. Da hält Spielzeug für die Kids wirklich nur für ein Kind, nicht wie in D, wo man es einfach weitervererbt oder auf dem Flomarkt verkauft. Fahrräder sind einer gewissen Zeit einfach kaputt, Häuser sind im Dauerrenovierungszustand, angefangen vom Dach, dass alle paar Jahre neu gedeckt werden muss bis hin zum Kühlschrank, der eben auch nicht die Lebensdauer eines deutschen Vergleichprodukts hat.
Was passiert, die Menschen kaufen mehr und das kurbelt die Wirtschaft an. Nebeneffekt, man hängt nicht so sehr an Sachen und ist dadurch auch flexibler. Denn gerade der Hausverkauf ist in D doch auch so schwer, weil man wirklich sein ganzes Herzblut investiert hat.

Anderer Effekt, niedrige Qualität bedeutet höheres Müllaufkommen. Höhere Produktionszahlen mehr Umweltbelastung, aber eben auch mehr Arbeitsplätze.

Ich sags ja, wer glaubt, Politik ist ganz einfach und die da oben haben nur einfach keine Ahnung, der sieht nicht alle Aspekte.

Wanderung von jungen Menschen finde ich übrigens auch gut. Und haben das nicht früher die jungen Handwerksgesellen alle gemacht? Es öffnet den Blick für Neues, erhöht die Flexibilität und fördert das Selbstbewusstsein, genauso wie die Berufserfahrung.

LG Simba
reimund1012

Beitrag von reimund1012 »

Hej @ Simba,

interessanter Aspekt.

Aber es ist aber auch so das deutsche Produkte gerade deshalb im Ausland so stark nachgefragt werden weil sie qualitativ so hochwertig sind.
Nicht zuletzt deshalb läuft der Export ja so gut.
Billig produzieren kann schliesslich jeder, und gerade deshalb haben die Billigländer weit mehr internationale Konkurrenten.

Letztes Jahr hatte meine Schwägerin einen amerikanischen Austauschschüler zu Gast, und für dieses Produkt einer Ex-und-Hopp-Gesellschaft war fasziniert von der Solidität und Dauerhaftigkeit deutscher Produkte.

Wenn man natürlich nur die Arbeitsplätze sieht die durch diese gigantische Ressourcenverschwendung erhalten bleiben, so ist das amerikanische oder auch das dänische Wirtschaftssystem uns natürlich über.
Sinnvoller wäre es auf alle Fälle dauerhafte Produte zu fertigen und dafür endlich mal mehr Arbeitsplätze im Bereich Umweltschutz, regenerativer Energien etc. zu schaffen.

Aber solange nur jeder an den kurzfristigen Profit denkt, gehen wir letztendlich doch alle mit dieser Welt um als hätten wir noch eine in Reserve.


Gruß

Reimund
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