Einheimische Lebensmittel contra Globalisierung

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Ingrid A.
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Einheimische Lebensmittel contra Globalisierung

Beitrag von Ingrid A. »

Hej zusammen,

wir haben gestern abend auf ARTE eine Sendung gesehen "Die Globalisierungswalze" und in diesem Rahmen "Der Camembert-Krieg".

Es ging im Großen und Ganzen darum, dass die landestypischen Produkte -- in dem Fall der Camembert aus Rohmilch mit seinem typischen speziellen Geschmack - verschwinden, verdrängt durch Produkte der Käsefabrik; aus pasteurisierter Milch, weich, haltbar, fade. Gemacht für die große Menge Menschen, die sich - so der Tenor - die produits terroirs (ich hoffe, ich habs richtig geschrieben :oops: ) nicht mehr leisten können, den Geschmack nicht mögen, die Gesundheitsgefahr, die von Rohmilch ausgeht etc. Vor allem sind diese in Fabrik hergestellten Prodikte im Geschmack immer!!! :roll: gleich! Kein Risiko beim Kauf, man weiß immer, was einem erwartet. :?
Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln wird versucht, die landestypischen Produkte vom Markt zu verdrängen. Und das gelingt. Die EU trägt das ihre dazu bei: Masse statt Klasse.

Nach der Sendung haben wir uns einmal Gedanken gemacht: Was gibts denn eigentlich noch für "landestypische Produkte" sprich Lebensmittel in DK?

Ich kann mich noch gut erinnern, dass früher für mich "Ymer" so etwas typisch dänisches war. Aber heute? Mir fällt eigentlich nichts mehr ein.

Außer dem "Höhlenkäse". Kann man den noch dazu zählen?
Oder habt ihr andere Beispiele?


Ingrid - neugierig wie immer! :wink:
lyngvigfyr
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Beitrag von lyngvigfyr »

Hej Ingrid,

ich habe leider die Sendung nicht gesehen. Aber zu dem Thema "regionale Produkte" mache ich mir schon lange Gedanken, da ich in einer Gegend wohne, die viel Potential hat für solche Produkte und es (allerdings erst seit wenigen Jahren) auch Initiativen gibt, Lokales auf die Speisekarte zu bringen. Wochenmärkte, speziell "Naturmärkte", und Versuche, Großabnehmer (Krankenhäuser, Hotels) mit Regionalem zu beliefern, sind derzeit erfolgversprechend, wenn es um den Erhalt regionaler Geschmacksgewohnheiten geht.

In Dänemark stellten wir fest, dass zum Glück :D doch viele Dinge (noch?) keinen EU-Einheitsgeschmack haben, und wir ernähren uns dann in den Urlaubwochen fast ausschließlich von (für uns) unverwechselbar dänisch schmeckenden Sachen. Die wichtigsten sind:
FISCH !!
Bøller
Joghurt
Kuchen!!
Nye Kartofler direkt vom Bauern

Es gibt - wie wir aber erst in diesem Jahr in einem Laden in Holstebro entdeckten - auch in Dänemark mindestens eine große Initiative zum Erhalt des Wissens über regionale Lebensmittel und zur Vermarktung derselben.
Hier der Link: [url]http://www.vifu.net[/url]

Gruß
Kirsten
reimund1012

Beitrag von reimund1012 »

Hej,

"unverwechselbar dänisch schmeckende Sachen" ????

So ganz kann ich das nicht nachvollziehen.
Gerade im Bereich fabrikmäßig vorgefertigter Einheitsprodukte waren gerade die Dänen uns doch schon immer Jahrzehnte voraus.
(Und an der EU-weiten "Geschmacksvereinheitlichung" sind die Dänen nicht ganz unschuldig.)
Ich kann mich zum Beispiel immer köstlich darüber amüsieren das hier etliche DK-Fans von den Burgern oder Pølser ihres "Stammlokals" schwärmen.
Ich kann da keine großen Unterschiede herauschmecken, lediglich die Anzahl der Gurkenscheiben und die Menge an Fertigremoulade variiert.

Für mich gibt es eine Menge Gründe nach Dänemark zu fahren, aber die "tollen dänischen Lebensmittel" gehören mit Sicherheit nicht dazu.
Im Gegenteil, was die Esskultur angeht gibt es ein krasses Süd-Nord-Gefälle.
Soll heissen: in Italien ist es besser als in Österreich, in Österreich besser als in Bayern, in Bayern besser als bei uns in NRW usw. .

Gruß

Reimund
Ingrid A.
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Beitrag von Ingrid A. »

Das ist es ja eben, was ich ansprechen wollte: Ich finde die unverwechselbar "dänisch" schmeckenden Lebensmittel leider auch nicht mehr.

Wie gesagt: Mein Beispiel "Ymer". Früher hat er anders geschmeckt. Was ich heute in den Pappkartons als "Ymer" kaufen kann, ist für mich nicht mehr dasselbe. Das hat mit "Nostalgie" sicher nichts zu tun.

Natürlich die Ständchen am Straßenrand, da kann ich noch selbstproduziertes Gemüse etc. kaufen. Aber das ist hier nicht das Thema.

Dänischen Käse: Ess ich einen Danbo - weiß ich, wie die anderen schmecken. Ich war so enttäuscht, als ich Samsø-Käse essen wollte und was hatte ich? Einen Fabrikkäse, der noch nicht einmal von Samsø kommt, dort wird er jedenfalls nicht mehr "hergestellt".



Bitte nun nicht Deutschland bringen - darum solls hier nicht gehen! :wink:
Ursel
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Beitrag von Ursel »

Hej allesammen!

Reimund, Du hast ja so Recht!
Und Ingrid, Du auch!

Käse ist ein ganz trauriges Kapitel in DK, finde ich.
Und Fisch, wenn man nicht gerade an derKüste wohnt, auch - wie schmeckt der übrigens typisch dänisch?
(Fragte ich mich auch bei den Kartoffeln beim Bauern, die sicher lecker sind, aber "typisch dänisch"?)
Ich meine, da wird doch ein bißchen nostalgischer Einkauf, den man zuhause evtl. nicht so direkt vor der Tür hat, mit den Geschmacksnerven durcheinandergebracht, denn frische Kartoffeln vom Erzeuger bei unseren Freunden in der Heide schmecken auch anders als die im Supermarkt des benachbarten Ortes.
Schmecken die dann aber "typisch deutsch"?

Ich finde die Fischkonserven sehr dänisch gewürzt, (vielleicht, weil ich sie nicht so sehr mag :mrgreen: ) und der "fynske rygeost" ist auch dänisch --- o bder sich geschmacklich verändert hat in den letzten Jahren, wage ich nicht zu sagen, ich esse den nämlich auch nicht :mrgreen:

Gruß Ursel, DK - international kochend (und essend)
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men at se med nye øjne."

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Ingrid A.
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Beitrag von Ingrid A. »

Mir ist doch tatsächlich was typisches eingefallen:

Den Räucherkäse von Fünen (Name vergessen!!!). Den gibts immer noch.

Und schmeckt ähem.... :mrgreen: (um nicht zu sagen... bähhhh :oops: )

Und was ganz besonderes:

Die eingelegten Heringe von Christiansø, den Erbseninseln. Lecker!!!!

Und die echten Roggenkekse von Bornholm! Heißen glaube ich "rugkiks" oder so.... und sind auch ganz lecker!


Ich würde sagen: Typisch dänischer Geschmack, oder? :D
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

lyngvigfyr hat geschrieben: Bøller
.... die willst Du essen ??? :shock:

ich habe zwar vom deutschen Kannibal gehört, aber ich dachte das war ein Einzelfall.
bølle (sb.) (person) Strolch m. -e;
(rå fyr) Rowdy m. -s, Rüpel m. -.
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MichaelD
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Beitrag von MichaelD »

Was bedeutet eigentlich einheimische Lebensmittel? Sind Lebensmittel aus der Fabrik auf Bornholm oder Nordjütland einheimisch für Kopenhagener?

Ist es für die Produktqualität nicht völlig gleichgültig, ob die Massenproduktion in Jütland vorgeht oder in Neuseeland?

Man soll doch auch nicht so tun, als ob französischer Camembert traditionell überwiegend aus Rohmilch und Liebe zum Handwerk produziert wird, dass die Franzosen sozusagen unter dem Druck der Globalisierung nichtssagende Massenproduktion aufgenommen hätten. Jedenfalls seitdem ich vor ca. 25 Jahren zum erstenmal in einem französischen Supermarkt war, dominieren da die Billigprodukte total.

Für mich besteht der Gegensatz zwischen Massenproduktion und Nischenproduktion.

Was sich durchsetzt, das ist nicht eine Frage des chimärenhaften Feindes Globalisierung, sondern in erster Linie unsere eigene tägliche Wahl. Ich habe seit fast 10 Jahren keine Steff Houlberg-Würstchen mehr angerührt, und seit zwei Jahren nicht mehr bei McDonalds gegessen (auch davor nur selten und gezwungenermassen).

Ich bin allerdings dagegen, die Nischenproduzenten vom Staat alimentieren zu lassen, wenn der Arte-Report in diese Richtung gezeigt haben sollte.

Gruss Michael
Ingrid A.
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Beitrag von Ingrid A. »

Was einheimische Lebensmittel bedeuten?

Das ist eine Wortschöpfung von mir, weil es den Ausdruck "territoirs" im deutschen leider nicht gibt.

Rohmilchkäse aus der Normandie - sprich Camembert - um bei diesem Beispiel zu bleiben - ist so ein Produit territois, wie die Roggenkekse von Bornholm für Dänemark etc.

Globalisierung bei den Lebensmitteln - die gibts doch überall. Wo bleibt das spezielle, das landestypische? Weg ist es. Meistens jedenfalls. Und das ist bei uns hier in Deutschland doch ganz genau so.

Klar, ich kann diesen industriell aus pasteurisierten Milch hergestellten Camembert (eine Riesenfirma übrigens) fast überall kaufen. Wahrscheinlich auch in Dänemark. Und er schmeckt überall gleich. Toll.

Und ich finde es schade, dass all die Roggenkekse und Rohmilchcamemberts aus den Regalen verschwinden, weil es ja soo einfach und so billig ist, die Fabrikprodukte zu greifen. Die Franzosen haben übrigens eine Unmenge dieser landestypischen Produkte (und wenns nur "der" Cidre aus der Normandie ist, der "Roquefort" usw.

Aber was kommt? Vereintes Europa - vereintes Essen? :?
lyngvigfyr
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Beitrag von lyngvigfyr »

Hej,
für uns (und genauso hatte ich mich ja auch ausgedrückt :wink: ) gibt es eine Reihe Lebensmittel, die "nach Dänemark" schmecken, weil eben ganz anders als das, was wir hier in Deutschland zu kaufen bekommen.
Zum Beispiel kenne ich keinen Bäcker, der ein Produkt herstellt, das genauso schmeckt wie Schulstad-Bøller. Uns schmecken die.

Ich betrachte das Thema viel mehr mir kritischen Augen als mit der DK-Sehnsucht, die einen von Zeit zu Zeit befällt:
Nicht umsonst kommt hier im Forum immer wieder die Frage, wo man dies oder jenes dänische Lebensmittel in Deutschland kaufen kann. Dass man es eben meist nicht kann, spricht dafür, dass dänische regionale Spezialitäten nicht so breitgestreut sind wie andere Regional-Küchen. Mir persönlich würde nie einfallen, im Dänemark-Urlaub zum Italiener oder Chinesen zu gehen. Wir sind eben gerade immer auf der Suche nach regionalen Spezialitäten. Und haben dabei auch im Hinterkopf, dass nur dann die Rezepte und Herstellungsverfahren weiter bestehen werden, wenn es auch Konsumenten gibt, die regional-bewusst kaufen und essen.

Hier muss (und das dürfte Aufgabe in jedem EU-Land sein...) vor allem bei den Kindern und Familien (die vielleicht noch ab und zu selbst kochen??) ein Gefühl dafür entwickelt werden, wie kulturell und ökologisch wertvoll die heimische Küche ist. Auch hinsichtlich der kurzen Transportwege.

Dass jeder ganz eigene Geschmacks-Favoriten hat, darüber müssen wir hier nicht diskutieren. Aber vielleicht darüber, wie unterschiedlich erfolgreich Regionen dafür sorgen, dass ihre unverwechselbaren Gerichte erhalten bleiben. Angefangen von der Sensibilisierung der Verbraucher, Ernährungs-Bildung an Schulen, Preisgestaltung, Werbung, Erhalt alter Sorten, Fangquoten für Speisefische ... Ein weites Feld!

Gruß
Kirsten[/b]
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Lars J. Helbo
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Beitrag von Lars J. Helbo »

lyngvigfyr hat geschrieben: Zum Beispiel kenne ich keinen Bäcker, der ein Produkt herstellt, das genauso schmeckt wie Schulstad-Bøller. Uns schmecken die.
Ach soooo meinst Du. Du meinst bOller und nicht bØller. Dann bin ich ja beruhigt. Aber beachte bitte, dass O und Ø zwei verschiedene Buchstaben sind. Ø ist nicht etwas, was man beliebeig reinstreut, damit der text "dänisch" aussieht.
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Ingrid A.
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Beitrag von Ingrid A. »

@Lars: Sei nicht so kleinlich! Aber so weitverbreitet ist der Kannibalismus in Deutschland nun auch wieder nicht! Mein Wörterbuch hat mir gerade den Unterschied zwischen Boller und Bøller erklärt!
:mrgreen:
Ich hätte ja ehrlich auch geschworen, dass die Boller Bøller geschrieben werden! :oops:


und wieder was dazu gelernt.-...... :mrgreen:
Simba
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Beitrag von Simba »

Naja, die Sache mit dem Bäcker... Also ich gehe wirklich gerne zu unserem Bäcker, so wie viele, viele andere auch. Aber ganz ehrlich, die Brote sind so einheitlich, dass man davon ausgehen darf, dass auch hier mit Backmischungen gearbeitet wird. Das gleiche gilt auch für die Boller und vermutlich auch für die Kuchen, die ich aber nicht kaufe, sondern lieber selber mache (soviel zum Thema Fabrikgeschmack, meine Kuchen sind immer ein Überraschungspaket, sowohl geschmacklich als auch vom Aussehen her :mrgreen: ).

LG Simba
Ursel
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Beitrag von Ursel »

Ach ja, Simba .. Du sagst es.
Vor vielen Jahren saß ich mit einer dän. Bäckerin zusammen, der ich von der dt. Brotvielfalt vorschwärmte ... woraus sie sehr empört war: Die gäbe es in Dk doch auch.
Naja, wenn an von Vielfalt sprechen will, nur weil einem bis dahin typischen 8und nur so erhältlichen) Fransk bröd plötzlich Sonnenblumenkerne oder anderes eingestreut werden... dann hat man natürlich Vielfalt, seufz.
Damals war das allerdings tatsächlich schon ein "Fort-"Schritt.

Gruß Ursel, DK
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geloescht20

Beitrag von geloescht20 »

Ich hätte ja ehrlich auch geschworen, dass die Boller Bøller geschrieben werden!
Ich auch! :oops: Auf den Tüten mit Rosinenbrötchen, die wir in DK immer kaufen stand nicht Bøller?
Ich habe hier kein Wörterbuch. Klärt mich bitte mal auf, was sind denn nun die Bøller?
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