Hej,
meiner Meinung nach ist dieser eskalierende Markenwahn ein globales Phänomen, welches weder neu noch auf irgendwelche sozialen Gruppen begrenzt ist.
Seit sich mehrzellige Lebewesen zu Schwärmen, Gruppen oder Herden zusammengefunden haben, gilt doch das genetisch begründete Grundgesetz:
Jeder will das Alpha-Tier sein !
Da musste man schon etwas bieten, was die Konkurrenz nicht hatte.
(besondere Größe, buntere Federn, längere Hörner, besonders auffäliges Balzverhalten etc.)
Zunächst war dies eine reine Instinktsache, denn laut natürlicher Auslese sollte dadurch den stärksten Herdenmitgliedern die Weitergabe ihres Erbmaterials vorbehalten bleiben.
Auch bei unseren Vorfahren war das Millionen Jahre lang nicht anders.
Wer am lautesten brüllen konnte war der Boss, ein Verhalten das viele Chefs auch heute noch nicht abgelegt haben.
Aber irgendwann muss dann so ein cleverer Höhlenmensch, höchstwahrscheinlich eine Frau, auf die Idee gekommen sein sich auf andere Weise einen höhere Position in der Rangordnung zu sichern.
Möglicherweise stellte so eine Steinzeiteva fest, dass man Muschelschalen nach dem Auslutschen nicht nur achtlos in die Ecke werfen konnte, sondern das man sich diese auch dekorativ um den Hals hängen konnte.
Was wieder das Interesse des obersten Höhlenchefs erregte, und schwupp war man auf der Favoritenliste eine Stufe höher gerutscht.
(Also Leute, der älteste Beruf der Welt ist........Juwelier.

Und der wird auch NIE aussterben.

)
Im Laufe der Zeit wurde das System immer weiter verfeinert und auf die (wegen der Eiszeit erforderlich werdenden) Bekleidung ausgeweitet.
"Hach Steinlinde, mein Kieselherr hat mir ein Wolfsfell mitgebracht. Davon werde ich mir ein paar todschicke Fellstiefel machen"
"Aber meine liebe Kiesela, Wolf ist doch soooo was von out ! Das trägt man doch schon seit der letzen Warmzeit nicht mehr. Also ich bekomme jetzt ein paar Fellpumps aus Mammut. Das ist ja soooo schick !"
(So und jetzt wissen wir auch, das Schuhmacher derzweitälteste Berufist, und warum die Mammuts ausgestorben sind.

)
Ein paar Eiszeiten weiter haben auch wir Männer endlich begriffen, wie dieses System funktioniert, und haben dies dann (sehr) langsam aber beharrlich adaptiert.
Zuerst bescheiden, vielleicht mit handlichen, fein ausballancierten wertvollen Designerkeulen und Schweizer Mehrzweck-Taschenfaustkeilen.
Später wurden dann künstlerisch wertvolle Höhlenfrescen modern.
Der nächste Quantensprung war dann die Erkenntnis, dass wenn einem selbst nichts Neues mehr einfiel oder man einfach keine Lust mehr hatte etwas selbst zu basteln, man einfach mal bei der Nachbarhorde vorbeischaute.
Dort wurden dann fleissig erfolgreiche Konzepte abgekupfert, getauscht, geklaut oder , wenn die anderen nicht mitspielen wollten, geraubt.
So wurden dann, ziemlich zeitgleich, Werksspionage, Handel und Kriminalität erfunden.
Oder anders ausgedrückt Politik, Kapitalismus und Imperialismus waren geboren .
Später versuchten dann die normalsterblichen Ägypter mittels modischer Sarkophage bleibenden Eindruck bei ihren Mitmenschen zu schinden, bei den Römern musste man Sklaven besitzen um gesellschaftliches Ansehen zu erlangen, im Mittelalter gab man gerne mit seiner stattlichen Sammlung an Ablassbriefen an, an den französischen Königshöfen galten dann wieder luxuriöse Kleider und Perücken als Statusymbol.
Im 20sten Jahrhundert half die Massenproduktion mit die Palette an erstrebenswerten Dingen wesentlich zu erweitern.
Wobei die Erfindung von Rundfunk und Fernsehen einen enormen Einfluss auf die inflationäre Erschaffung und Ausbreitungsgeschwindigkeit neuer "Trends" hatte.
Vor 30 Jahren waren Mofas bei den Jugendlichen der letzte Schrei.
So einen "echten Nutzwert" hatten die lahmen Krücken eigentlich nicht, aber wer "in" sein wollte musste so ein Gefährt haben.
Aber so ein Trend hielt wenigstens über einige Jahre an, so das man seinen fahrbaren Untersatz halbwegs verlustfrei weitergeben konnte, sobald man sich ein Auto leisten konnte.
Spätere "Statussymbole" wurden dann immer kurzlebiger, vor allem weil die internationalen Konzerne unverzüglich mit der Massenproduktion begannen, sobald sich ein Trend herauskristallisierte.
Videorecorder, Computer,Handys, Playstation, DVD-Player, Plasmafernseher etc., alles waren anfangs "Prestigeobjekte", heute hat jeder so etwas.
Vor 30 Jahren konnte man seinen Erfolg ja wenigstens noch über sein Auto reflektieren.
Der Geschäftsmann fuhr Benz, der Angestellte VW und der Arbeiter Opel oder Ford, und jeder wusste sofort mit wem er es zu tun hat.
Heute kann praktisch jeder jedes Auto fahren.
Rabatte, Leasing und immer exotischere Finanzierungsmodelle machens möglich, und notfalls wird eben eine Hypothek mit 30 Jahren Laufzeit aufs Häuschen aufgenommen.
Auch wenn man ihn nicht braucht und eigentlich nicht leisten kann, Hauptsache vor der eigenen Tür steht ein A6.
Weil der Nachbar nämlich einen A4 fährt !
Wen wunderts da noch wenn der Nachwuchs genauso denkt und handelt ?
(Die armen Bosse können einem ja nur noch leid tun. Weil ein schlichter Benz neben dem VW Eos oder TT seiner Sekretärinnen nicht so richtig repräsentativ ist, musss er notgedrungen auf etwas exclusiveres ausweichen, etwa einen SL, ML oder ähnliches. Der letzte Schrei bei uns: BRABUS-Unimog mit Voll-Lederausstattung und Turbomotor, demnächst garantiert auch in der Nähe der Strøget zu finden)
Also, wie bitte soll sich die wohlsituierte, urbane Jugend sich denn nun anders aus der Masse hervorheben als durch exclusive, teure Designerkleidung ?
Wobei sie aber gar nicht merken, dass sie gerade durch die ( durch den Gruppenzwang ) unvermeidliche "Uniformierung" ihre subjektive, elitäre Individualität wieder aufgeben.
Ausserdem ist ihnen ja die "breite Masse" immer auf den Fersen, denn
irgendwann läuft halt jeder mit Gucci, Prada oder sonstigem Outfit herum.
Entweder weil die Hersteller ihre Produktionszahlen herauffahren, wodurch zwar die Einzelverkaufspreise fallen, aber der Gesamtgewinn trotzdem steigt, oder weil diejenigen, die sich das Original nicht leisten können, dann eben die billigen chinesischen Kopien kaufen.
Auf jedes Nike- oder Asics-Produkt kommen doch schon mindestens 10 Kopien, die kaum noch vom Original zu unterscheiden sind.
Wobei böse Zungen behaupten, das die asiatischen Hersteller die für die Markenhersteller produzieren, heimlich fleissig für die "Direktvermarktung" mitproduzieren.
(In diesem Fall wären dann Original und Fälschung sogar identisch)
Also, in Hinblick auf Eure individuelle Sichtweise ist fast jedes Eurer Argumente in gewisser Hinsicht logisch und stichhaltig, aber egal wie skurril und pompös das Auftreten der Schicki-Mickis ist (bzw. in Zukunft auch noch werden will) , Angeberei und Neid sind zwei Seiten eines Erbes, das felsenfest in unseren Genen verankert ist.
Auch wenn viele sich selbst und anderen weismachen wollen das sie diesbezüglich eine löbliche Ausnahme sind.
Angeberei und Neid sind vielleicht als Untugenden verschriehen, aber im Grunde sind sie trotzdem die Eltern von Ehrgeiz und Fortschritt.
Gönnen wir also der urbanen Jugend ihre Eitelkeiten, packen uns an die eigene Nase und denken zurück an die Zeiten in denen wir (innerhalb unseres damals meist bescheideneren Rahmens) auch nicht viel anders waren.
Und allen die ständig darüber beklagen das heute angeblich alles viel schlechter ist als früher, die vergessen meist nur das dieser Eindruck oft daher kommt, dass man heute meint auf viele Dinge nicht mehr verzichten zu können.
Vor 10 Jahren war ein Handy ein abolutes Luxusobjekt, aber heute hat wahrscheinlich jeder 10jährige ein besseres Handy in der Tasche als ich.
(Weitgehend unabhängig vom Einkommen der Eltern)
Was die Luxus-Kiddies in Kopenhagen München, New York oder Shanghai angeht, irgendwann werden sie ihr eigenes Geld verdienen müssen und kommen dann (hoffentlich) auf den Boden der Tatsachen zurück.
Ein schönes Wochenende
Reimund
(der leider weder in einen Porsche noch in einen Armani-Anzug hineinpasst)