Hej allesammen!
Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie uns Auslandsdeutschen die Kompetenz, Dtld. doch mindestens ein wenig zu kennen, absolut und uneingeschränkt abgesprochen wird.
Da denke ich an dieselben, die Reimund bechrieben hat und an die Sollys sich wendet. (Und deshalb können sich die anderen nun bequem und gelassen zurücklehnen

)
Sie kommen als Touristen hierher, verstehen die Landessprache bis auf ein paar rudimentäre Ausdrücke nicht, haben keinen Einblick in die jahresüblichen Bräuche, in das Alltagsleben der Dänen, in Schul-, Sozial-, Gesundheitssystem etc. --- aber sie WISSEN: Das ist das goldene Land, dort möchte ich leben, da ist es schöner als in Dtld.
(Tourist, was heißt das?
Touristen leben fernab von dänischem Alltag meist in Ferienhaussiedlungen, treffen auf urlaubmachende andere Touristen, ja, auch Dänen, die dann eben Zeit und Lust haben, ein bißchen der großen weiten Welt, die sie nun mal in den 3 Wochen nicht wie andere dänische Urlauber via Flugzeug erorbern, durch diese ausländischen Touristen kennenzulernen,
oder sie treffen auf Geschäftsleute, die vom Tourismus leben, sprich davon, daß der - ausländische - Urlauber möglichst viel Geld für alles Mögliche ausgibt, das Land liebt und deshalb gern wiederkommt - und dafür muß der einheimische Geschäftsmann diesen Touristen zuvorkommend behandeln.)
So, und diese Leute schreiben dann hier, daß wir, die wir schon etwas länger hier leben, ja nichts mehr von Dtld. kennen.
Ich komme MINDESTENS so oft nach Dtld. wie ein Deutscher als Tourist hierher.
ABER: ich bin dort kein Tourist im üblichen Sinne, denn ich gehe nicht Kerzenziehen, am Strand Sandburgen bauen oder besichtige Museen und Freizeitparks am laufenden Meter, sondern ich lebe mit meiner Familie bei Freunden, in Familie, reise rund und lasse mir von allen auch über das Jahr verteilt durch Briefe und Telefonate erzählen, wie es ihnen persönlich geht.
Ich kaufe ein - nein, keinen Touristennippes, sondern alles, was es hier nur sehr teuer oder gar nicht (oder erst Jahre später) zu kaufen gibt - von kleinen Geschenken für die vielen Klassengeburtstage meiner Kinder angefangen bis zu Umweltschutzbriefpapier, Lebensmittel und technische Fortschritte.
Ich sehe täglich hier in DK dt. Fernsehen und kann über das Internet dt. Zeitungen und Zeitschriften lesen. Ich beherrsche nämlich die Landessprache (Deutsch). Welcher Tourist kann dies umgekehrt genauso behaupten?
Ich denke doch, mit diesem Hintergrund bin ich besser in der Lage, Dtld. zu beurteilen als ein dt. Tourist geeignet ist, mir zu erzählen, wie herrlich es hier in DK ist.
Wohlgemerkt: Das klingt evtl. überheblich, so meine ich es nicht - ich bin es nur leid, daß Menschen, die hier 3 Wochen Ferien machen, uns erzählen, wie es hier ist und gleichzeitig Kompetenzen in Bezug auf Dtld. absprechen, die uns durchaus noch erhalten sind und die wir auch um der Erziehung unserer Kinder willen oft fördern.
Wenn schon, dann ent- oder weder, gleiches Recht für alle - obwohl die Voraussetzungen in den meisten Fällen doch eher sehr verschieden sind.
Und merke: Niemand von uns hier hat gesagt, DK sei grauenvoll.
Niemand von uns hat gesagt, Dtld. sei wunderschön.
Beides wäre ja nur die platte Umkehrung dessen, was wir genau NICHT wollen.
Wenn ich aber sehe, mit welchen eigenartigen Argumenten die Glaubhaftigkeit unserer Darstellungen angezweifelt wird --- von "behandelt die Leute doch nur richtig, dann tun sie das auch mit euch!" über "bei uns ist das alles ganz anders, das haben wir ja nie erlebt" bis hin zu "ihr kennt Dtld. ja nicht mehr" oder "dt. Patriotismus steht euch gar nicht mehr zu, wenn ihr dort nicht mehr lebt" - dann kann ich das eigentlich gar nicht mehr ernstnehmen. Argumente sind DAS doch wohl eher nicht!
DAS nenne ich Überheblichkeit.
Vilmy - ich bin vor vielen Jahren genauso wie Du hierhergekommen, nachdem mein dänischer Mann auch eine ganze Zeit in Dtld. gelebt hat und durchaus imstande ist, auch dt. Menthalität besser als mancher Däne einzuschätzen.
Für mich ist es auch so: Wäre er Pole gewesen, wäre ich jetzt vielleicht in Polen, wäre er Niederländer, hätte ich irgendwann in Nl gelebt usw.
Vielleicht aber befähigt uns dies gerade, ein gutes Verhältnis zu dem Land aufzubauen, in dem wir leben - weil wir es pragmatisch angenommen und nicht wegen irgendwelcher fabulösen Gerüchte ausgewählt haben.
Ich würde vermutlich auch in Dtld. an den Mißständen arbeiten, in dem ich sie aufzeigte und mich engagierte, um etwas zu ändern.
Das gehört für mich zu einer guten Staatsbürgerin dazu - ob ich nun die Staatsbürgerschaft habe oder nicht.
ich lebe hier, also muß ich mich einbringen - nicht nur passiv genießen/leiden.
Über eins habe ich jedoch geschmunzelt: Es wäre für Dich auf jeden Fall Ausland geworden, weil Du Monukultur nicht so magst.
Da bist Du ausgerechnet in DK ja nicht so glücklich gelandet --- New York oder London wären wohl eher keine Monokulturen
Und nun an alle friedfertige Grüße - Ursel im wettermäßig äußerst trüben DK